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freilich eine theure. Denn ich bin ganz voll von ihm und weiß wenig vernünftiges darüber zu sagen als unendliches Lob. Und wenn Goethe meint: „wer lobe, stelle sich gleich“, so soll auch er Recht haben wie immer — und ich will mir von jenem Künstler gerne Augen und Hände binden lassen und damit nichts ausdrücken, als daß er mich ganz gefangen und daß ich ihm blind folge. Nur wenn ich ein Maler wäre, würde ich zu recensiren mich unterstehn, (etwa durch ein Bild, wo sich eine Grazie gegen einen Satyr wehrt) — und wenn ein Dichter, nur in Lord Byron’schen Stanzen reden, so englisch (im Doppelsinn) finde ich das Concert. — Die Originalpartitur liegt vor mir aufgeschlagen, man sollte sie sehn! — gebräunt, als hätte sie die Linie passirt[H 1] — Noten wie Pfähle — dazwischen aufblickende Clarinetten — dicke Querbalken über ganze Seiten weg — in der Mitte ein Mondschein-Notturno „aus Rosenduft und Lilienschnee gewoben,“ bei dem mir der alte Zelter einfiel, der in einer Stelle der „Schöpfung“ den Aufgang des Mondes sah und dabei stereotypisch sich die Hände reibend selig sagte: „der kömmt ’mal auf die Strümpfe“ — und dann wieder ein NB mit ausgestrichenen Tacten und drüber mit langen Buchstaben „cette page est bonne“,[H 2] — ja freilich ist Alles bon und zum Küssen und namentlich du, ganzer letzter Satz in deiner göttlichen Langweiligkeit, deinem Liebreiz, deiner Tölpelhaftigkeit, deiner Seelenschönheit, zum Küssen vom Kopf bis auf die Zehe. Fort mit euren Formen- und Generalbaßstangen!

Anmerkungen (H)

  1. [WS] „die Linie passieren“ heißt in der Seemannssprache: den Äquator überqueren.
  2. [WS] Carl Friedrich Zelter (1758–1832), Komponist, durch seinen Briefwechsel mit Goethe berühmt und als Ästhetiker des Klassizismus einflussreich. Das Oratorium Die Schöpfung von Joseph Haydn ist reich an Klangschilderungen, die wegen ihrer außermusikalischen Bezüge zwiespältig aufgenommen wurden. NB: Nota bene, „wohlgemerkt“.