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So viel weiß ich aber, daß es das bedeutendste Streben, das ich unter jüngeren Talenten seit lange angetroffen. Die Worte suchen’s vergeblich, wie seine Musik gestaltet ist, was Alles sie schildert; seine Musik ist selbst Sprache, wie etwa die Blumen zu uns sprechen, wie sich Augen die geheimnißvollsten Mährchen erzählen, wie verwandte Geister über Flächen Landes mit einander verkehren können; Seelensprache, wahrstes Musikleben. Es waren drei große Quartetten und ein Quintett, die wir hörten, sämmtlich mit Stellen aus Goethe’s Faust überschrieben,[H 1] mehr zum Schmuck, als zur Erklärung, da die Musik an sich deutlich genug; ein sehnsüchtiges Drängen war’s, ein Rufen, wie nach Rettung, ein immerwährendes Fortstürzen, und dazwischen selige Gestalten, goldene Matten und rosige Abendwolken; ich möchte nicht gern zu viel sagen: aber der Componist schien mir in Augenblicken oft selbst jener Schwarzkünstler Faust, wie er uns sein Leben in schwebenden Umrissen der Phantasie vorüberführt. Außerdem sah ich von ihm eine Ouverture zu Hamlet, eine große Symphonie in vielen Sätzen, eine zweite bis in die Mitte vorgerückte, die in einem Athem hintereinander fortgehen soll, sämmtlich gleich phantastisch, lebenskräftig, in den Formen abweichend von allen bisher bekannten, wenn ich Berlioz ausnehme, mit einzelnen Orchesterstellen, wie man sie nur von Beethoven zu hören gewohnt, wenn er gegen die ganze Welt zu Felde ziehen und sie vernichten möchte. Und jetzt kommt mein „Aber.“ Wie bei erster Betrachtung uns

Anmerkungen (H)

  1. [GJ] Die Mottos sind:
    1, zum E moll-Quartett:

    „Es möchte kein Hund so länger leben!“
    „Ich grüße dich, du einzige Phiole,
    Die ich mit Andacht nun herunterhole,
    In dir verehr’ ich Menschenwitz und Kunst.“

    2, zum B dur-Quartett:

    „O tönet fort, ihr süßen Himmelslieder!
    Die Thräne quillt, die Erde hat mich wieder!“

    3, zum C moll-Quintett:

    „Dem Taumel weih’ ich mich, dem schmerzlichsten Genuß,
    Verliebtem Haß, erquickendem Verdruß.
    Mein Busen, der vom Wissensdrang geheilt ist,
    Soll keinen Schmerzen künftig sich verschließen,
    Und was der ganzen Menschheit zugetheilt ist,
    Will ich in meinem innern Selbst genießen.“

    II.126