Seite:Geschichte Dithmarschens Kolster 1873.pdf/248

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Wahrheit seiner Aussage durch einen Eid bekräftige; aber damit nicht zufrieden, verlangte es, um diesen Eid zulässig zu befinden, die eidliche Versicherung einer bestimmten Zahl bald seiner Verwandten, bald Nachbarn, bald Mitglieder seiner Bauerschaft oder seines Kirchspiels, daß sie von der Wahrheit seiner Aussage überzeugt seien. Man nannte sie Eideshelfer und die Gesammtheit der Schwörenden, unter denen der Betreffende selbst war, Nemede. Sie sind nicht Zeugen; man fordert von ihnen nicht den Eid der Wahrheit, sondern den des Glaubens, juramentum credulitatis, der Ueberzeugung, daß der Mann die Wahrheit sage. Zu wählen hatte sie auch nicht der mit ihnen Schwörende, sondern je nach den verschiedenen Fällen der Gegner oder Richter; dem Betreffenden aber stand es frei, von den Erwählten die Hälfte als ihm persönlich verfeindet abzulehnen. Leugnete der Beklagte die That oder ein relevirendes Moment derselben, so wurde seiner eidlichen Versicherung erst Glauben geschenkt, wenn er mit seinen Eideshelfern seine Schuldlosigkeit beschwor. Auch die Zeugenaussage kann einer Nemede bedürfen, ebenso die Klage. Die volle Nemede bestand eigentlich aus zwölf Personen, doch bediente man sich meist einer kleineren, wo die Partei selbzehnte schwur. Das Gesetz bestimmte in den einzelnen Fällen, aus welchem Kreise die Nemede stellen sei, ob aus dem Geschlecht oder der Kluft, der Bauerschaft, dem Kirchspiel. So setzte jeder schwerere Criminalfall eine Menge Personen in Bewegung, und es kam namentlich da, wo der Beklagte nicht des Vermögens war, die ihm drohende Geldbuße zu erlegen, wo also für den Rest das Geschlecht eintreten mußte, Interesse und Gewissen in einen harten Conflict. So wurde in die Beliebungen mancher Geschlechter der Satz aufgenommen, daß dem Geschlechtsvetter die Eideshülfe nie zu verweigern sei. Das war Gewissenlosigkeit, und infolge dessen richteten sich nach der Reformation die Anstrengungen der Geistlichkeit zunächst gegen diese Eideshülfe, weil sie Verlockungen zum Meineid enthalte. Sie drangen durch, lockerten aber mit dieser Beseitigung mächtig die festen Bande der Geschlechtsverbindung. Auch

Empfohlene Zitierweise:
Wilhelm Heinrich Kolster: Geschichte Dithmarschens. Nach F. C. Dahlmanns Vorlesungen im Winter 1826. Wilhelm Mauke, Leipzig 1873, Seite 229. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_Dithmarschens_Kolster_1873.pdf/248&oldid=- (Version vom 16.9.2022)