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erster Linie in ihren, in zweiter aber auch in den gebildeten Laienkreisen das Bedürfnis hervor, sich an der klassischen Quelle desselben zu unterrichten, und veranlaßte eine rege Nachfrage nach theoretischen und prozessualischen Schriften, Summen, Regeln und Kommentaren, welche seit Jahrhunderten in Italien und Paris handschriftlich verbreitet waren und als Grundlage für den akademischen Unterricht gedient hatten. Selbst die Wissenschaft des Rechts ging dabei nicht leer aus. Von Justinians Institutionen wurden noch vor 1500 über 50 Auflagen in Deutschland, Frankreich und Italien gedruckt, darunter 3 von Schöffer in Mainz und 4 von Wenszler in Basel. Die Digesten verlegte Baptista de Tortis 1494 und 1501 in je 1500 Exemplaren, außerdem auch die übrigen Teile des „Corpus juris“. Hauptsächlich handelte es sich aber um die Beschaffung des für die Praktiker unentbehrilchen sogenannten juristischen Handwerkszeugs, auf dessen Vervielfältigung sich nunmehr die buchhändlerische Spekulation naturgemäß mit besonderm Eifer warf. Es ist dieser Gegenstand neuerdings von einem ausgezeichneten Gelehrten, dem leider viel zu früh verstorbenen Professor der Rechte Dr. Roderich von Stintzing in Bonn behandelt, der in seiner „Geschichte der populären Litteratur des römisch-kanonischen Rechts in Deutschland am Ende des 15. und im Anfang des 16. Jahrhunderts“ (Leipzig, S. Hirzel, 1867) der Geschichte der Jurisprudenz und des sie betreffenden Buchhandels sozusagen eine neue Provinz erobert und auch für die nachfolgende Darstellung die Zahlen und Thatsachen geliefert hat.

„Der durchschlagende Charakter der populären Litteratur liegt“, wie Stintzing S. XXXVIII sagt, „darin, daß sie sich nicht auf wissenschaftliches Verständnis, sondern auf Erfassung des Positiven mit dem Gedächtnis; nicht auf das Begreifen des innern Zusammenhangs, sondern auf die Einprägung der äußerlichen Unterscheidungen; nicht auf die Erkenntnis des Wesens der Rechtsinstitute, sondern auf die Erlernung ihrer fremden Erscheinung hinarbeitet.“ Sie erstreckt sich auf das gesamte Gebiet des bürgerlichen Rechts und des Prozesses, berücksichtigt aber das heimische Recht nur in geringem Umfange, und hat fast ausschließlich das fremde, römisch-kanonische Recht im Auge. Die Schriften zerfallen in 1) einleitende und mehr theoretische; 2) alphabetische Sammlungen; 3) die Bücher über die Stammbäume und Verwandtschaftverhältnisse; 4) prozessualische und Notariatsschriften. Es folgen sodann der „Klagspiegel“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 328. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_05.djvu/066&oldid=- (Version vom 1.8.2018)