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Im Jahre 1467 (nach ältern Quellen 1465) in Rotterdam geboren, erhielt Erasmus seine erste gelehrte Bildung bei Alexander Hegius in Deventer und lebte, nachdem er längere Zeit seine Studien in Paris fortgesetzt hatte, fast fünf Jahre im Kloster. Vorübergehend hielt er sich dann in den Niederlanden, in England, Italien und Deutschland auf und wohnte von 1517 an bis zu seinem Tode dauernd in Löwen, Basel und Freiburg. Ein öffentliches Amt bekleidete er nie, obgleich er gegen äußere Ehren durchaus nicht unempfindlich war. Die politischen Geschäfte seiner Zeit, bei denen er leicht hätte mitwirken können, ließen ihn gleichgültig. Dagegen war sein geistiges Leben so bedeutend, daß es entscheidend in die Entwickelung seiner Zeit eingriff und den wissenschaftlichen Bestrebungen des Buchhandels ihre Bahn mit anwies. In der Geschichte desselben nimmt Erasmus durch seine langjährigen Beziehungen zu Aldus Manutius und Johann Froben eine ganz besonders hervorragende und vermittelnde Stellung ein. Es gibt kaum einen Gelehrten, der anregender auf litterarischem Gebiete gewirkt, bedeutendere wissenschaftliche Unternehmungen gefördert und durch sein persönliches Ansehen auf Gelehrte und Buchhändler einen gleich wohlthuenden Einfluß ausgeübt hätte.

Der im vorigen Kapitel bereits erwähnte riesige Absatz seiner Schriften, um deren Verlag die angesehensten Firmen sich rissen, trug nicht unwesentlich zur Hebung des deutschen Buchhandels bei. Solche Erfolge hatte noch kein deutscher Schriftsteller errungen; Erasmus konnte unter den bedeutendsten Verlegern von Paris, Venedig und Basel wählen und zählte die Gelehrten aller Länder zu seinen Bewunderern. Von seinen selbständigen Werken[1] ist dem Datum der Veröffentlichung nach zuerst zu nennen seine Sprichwörtersammlung – „Adagiorum Opus“ –, welche 1500 von Johann Philippi, einem Deutschen in Paris, gedruckt wurde, anfangs nur eine trockene Zusammenstellung von einigen hundert Sprichwörtern enthielt, dann aber mit Tausenden von Digressionen vermehrt, seit 1515 zu einem starken Folioband umgestaltet, immer und immer wieder in neuen Auflagen erschien.

Das Buch beleuchtet und erklärt in elegantestem Latein die verschiedensten Lebensverhältnisse, enthält witzige Ausfälle gegen Priester, Juristen, Adelige, Frauen und einzelne Stände, oder verspottet die Eitelkeit ganzer Klassen und Völker. Überall getragen von dem beseelenden


Fußnoten

  1. Geiger a. a. O. S. 537–539.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 367. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_06.djvu/008&oldid=- (Version vom 1.8.2018)