humanistischen Gedanken erschien diese Sammlung den Zeitgenossen als ein Schatzkästlein der Weisheit, welches den innern Zusammenhang der antiken mit der modernen Welt vermittelte. Das Lob der Narrheit – „Moriae Encomium“ – war 1508 geschrieben, erschien zuerst 1509 nach der Verfassers Rückkehr aus Rom und ist gleichfalls eine geistreiche Satire, in welcher dem Geschmack der Zeit entsprechend die Thorheit redend auftritt und die Schwächen der Welt mit seiner Ironie und vornehmem Hohn lächerlich macht. Seine Hauptangriffe waren gegen die Geistlichkeit, vom Papste an, namentlich aber gegen die Mönche mit ihrer Beschränktheit, ihrem niedrigen Treiben, ihrem Bildungshasse und ihrer Verlogenheit gerichtet; sie trafen das alte System vernichtend. Das „Lob der Narrheit“ wurde denn auch noch später auf den päpstlichen Index (der verbotenen Bücher) gesetzt. Die Vertraulichen Gespräche – „Colloquia familiaria“ –, welche zuerst 1519 ausgegeben wurden, 1530 aber zu ihrer jetzigen Gestalt gediehen, behandeln in leicht dahinfließendem Stil und in witzigen satirischen Bemerkungen die verschiedensten Gegenstände und Erscheinungen des öffentlichen und privaten Lebens, tadeln mangelhafte oder verkehrte Einrichtungen und geißeln pedantische Grammatiker sowohl, als anmaßende Priester oder Bettelmönche. Das Werk erzielte eine durchschlagende Wirkung; in verhältnismäßig kurzer Zeit wurden 24000 Exemplare davon abgesetzt.
Außer seinen eigenen Werken erschienen von Erasmus noch viele Ausgaben von Klassikern und Kirchenvätern. So gab er die Sentenzen des Cato und Publius Syrus mit Scholien heraus, Seneca, Sueton nebst den übrigen Schriftstellern zur römischen Kaisergeschichte und einigen ergänzenden Schriften neuerer Geschichtschreiber, Cicero „De Officiis“ und „Quaestiones Tusculanae“, Plinius, Terenz, Livius, Demosthenes, Ptolemäus, ferner die Kirchenväter Cyprian, Arnobius’ Kommentare über die Psalmen, Hieronymus, Irenäus, Ambrosius, Augustin, Epiphanius, Laktanz, Chrysostomus, Basilius Magnus und einen Teil des Origenes, sodaß seine litterarische Thätigkeit eine wahrhaft staunenswerte ist.
Hochgelehrt und witzig, scharf und ironisch, geistreich und boshaft, heute kühn und verwegen im Angriff, morgen kleinlaut und verzagt im Rückzug, höflich, ja unterwürfig gegen Hochstehende und Mächtige, hochmütig, selbst brutal gegen Schwache und Unglückliche: so beherrscht dieser
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 368. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_06.djvu/009&oldid=- (Version vom 1.8.2018)