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zu Reuchlin zu stehen, da er selbst sich als Führer fühlte, so wurde er in dem Augenblick der Feind Luthers, als dieser den fortschreitenden Geist der ganzen Nation in sich verkörperte und als in der Hitze des Kampfes die Erasmischen Schriften kaum mehr genannt, geschweige denn gekauft wurden. Deutschland hatte glücklicherweise anderes und besseres zu thun, als sich um den kleinlichen Gelehrtendünkel zu kümmern, der die griechischen Kenntnisse des großen Reformators bemängelte und wegen seiner genauern Kenntnis des Altertums den Männern der That sich überlegen dünkte. Endlich aber ist es charakteristisch für Erasmus, daß er den ungestümsten Vorkämpfer der neuen Ideen, den todkranken Ulrich von Hutten, verleugnet, von seiner Schwelle weist und bis zu dessen Ende boshaft verfolgt. Ein großer Gelehrter, aber ein schwacher, halber Charakter – so lautet der Wahrspruch der Geschichte über Erasmus.

Seine Werke wären übrigens nicht gleich von Anfang an so glänzend aufgenommen worden und von so durchschlagendem Erfolg begleitet gewesen, wenn ihm nicht zwei ebenbürtige Geister als Verleger zur Seite gestanden hätten: der Venezianer Aldus Manutius und der Baseler Johannes Froben.

Jener gehört zwar durch seine Geburt und Wirksamkeit zunächst Italien an, indessen äußert sich sein Einfluß auch auf Deutschland ebenso nachhaltig, wenn nicht noch nachhaltiger, als der irgend eines deutschen Verlegers jener Zeit. Seine freundschaftlichen Beziehungen zu Reuchlin, Erasmus und den hervorragendsten Humanisten begründen sogar eine Gemeinschaft der Interessen, welche die deutsche gelehrte Welt vielfach in neue Bahnen lenkte. Wie dem ganzen Mittelalter, so war auch seinen Ausläufern die besondere Betonung der Nationalität fremd. Viel höher standen ihm die Vereinigungspunkte, welche die Kirche oder selbst die einzelnen Stände gewährten. Die spätern nationalen Schranken bedeuteten zu Anfang des 16. Jahrhunderts auf geistigem Gebiete kaum so viel, so heutzutage provinzielle Unterschiede, denn das Lateinische als Gelehrten- und Weltsprache schlang ein einheitliches Band um die wissenschaftlichen Bestrebungen aller Völker. Auch als Verleger Reuchlins und Erasmus’ beanspruchen Aldus und seine bahnbrechende Thätigkeit einen Ehrenplatz in der Geschichte des Buchhandels des humanistischen Zeitalters.

Geboren um 1450 zu Sermonetta bei Velletri im Römischen und

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Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 370. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_06.djvu/011&oldid=- (Version vom 1.8.2018)