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Während der Messe aber war es diesen gestattet, an Nichteinheimische Wein zu verkaufen, wenn er unverfälscht war. In den Weinstuben gab es zu dieser Zeit auch keine Polizeistunde, überall ging es hoch her, und Gelage und Zechereien dauerten meistens bis zum Morgen. Heinrich Stephanus (Henry Estienne, 1528 bis 1598) aus Paris (später in Genf und zeitweise in Augsburg), gleich berühmt als Buchdrucker wie als Gelehrter, war seit 1572 ein ziemlich regelmäßiger Besucher der frankfurter Messen. Sie gehörten so sehr in seine geschäftlichen Berechnungen, daß er noch 1571, im Jahre vor dem Erscheinen seines „Thesaurus linguae graecae“ an den Arzt Crato von Krafftheim schrieb: das Werk werde nicht vor der nächsten frankfurter Messe herauskommen. Er verherrlichte den frankfurter Meßverkehr auch in einer kleinen, 1574 erschienenen Schrift: „Francofordiense Emporium s. Francofordienses Nundinae“, und schildert darin die günstige Lage der Stadt für den Meßverkehr, das liebenswürdige Entgegenkommen der Frankfurter, die Annehmlichkeit des dortigen Aufenthalts, die Unparteilichkeit der Gerichte und den großartigen Verkehr der aus aller Herren Länder hier zusammenströmenden Fremden. Gibt er auch mehr allgemeine Gesichtspunkte als Thatsachen, so macht er doch den Eindruck eines zwar begeisterten, aber immerhin wahren Berichterstatters, dessen Angaben auch anderweitig bestätigt werden. Aus der poetischen Sprache des Stephanus in die nüchterne Prosa des täglichen Lebens übersetzt, erfährt man also, daß die Schriftsteller, Dichter und Gelehrten zur Zeit der Messen mit den Buchhändlern und Buchdruckern nach Frankfurt strömten und sich namentlich in dem der Litteratur bestimmten Stadtteil (der Buchgasse) zusammenfanden. „Daher kommt es“, möge jetzt Stephanus selbst das Wort ergreifen, „daß man auf dieser litterarischen Messe über Dinge unterrichtet wird, über die man sonst auf allen Bibliotheken vergeblich Nachrichten sucht. Jeder vernimmt das lebendige Wort der vielen Lehrer von den verschiedensten Universitäten, man hört sie mitunter in den Läden der Buchhändler ebenso ernsthaft philosophieren, wie früher Sokrates und Plato mit ihren Schülern inmitten des Lyceums. Aber nicht nur Philosophen entsenden die berühmten Universitäten von Wien, Wittenberg, Leipzig, Heidelberg, Straßburg und unter den ausländischen Löwen, Padua, Oxford und Cambridge hierher nach Frankfurt, sondern auch Dichter, Redner, Geschichtschreiber, Mathematiker und solche, welche in

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Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 464. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_08.djvu/017&oldid=- (Version vom 1.8.2018)