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allen diesen Disziplinen bewandert sind und, wie die Griechen sich ausdrücken, die Encyklopädie zu ihrem Studium gemacht hatten. Die Italiener haben daher ganz Unrecht, wenn sie sagen, die Deutschen hätten ihren Verstand in den Fingern, als wenn sie sich nur im Handwerk und in den mechanischen Künsten auszeichneten. Wahrlich, sie mögen doch einmal die frankfurter Messe besuchen! Beim ersten Eintritt in das Bücherviertel werden sie einsehen, daß das Sprichwort lügt und diesem Volke großes Unrecht thut. Auch übertrifft diese Messe der Musen die des Merkur nicht allein durch Würde und Ansehen, sondern, was noch merkwürdiger ist, sie macht ihr auch durch die Menge des Gebotenen gewissermaßen den Rang streitig. Denn die litterarischen Arbeiten der Deutschen kommen an Zahl ihren andern Arbeiten beinahe gleich, an denen die Italiener den Geist der Hände bewundern, und ebenso können es die Studierenden der Zahl nach mit den Kaufleuten aufnehmen.“

Viel schwerer als diese allgemeinen Lobpreisungen, welche eine genauere Ortskenntnis vermissen lassen, wiegt die Thatsache, daß Frankfurt sich bald auch als Gelehrtenmesse entwickelte. Melanchthon wird 1518, wie schon angeführt, als der erste genannt, welcher mit seinem Verleger und Freunde Thomas Anshelm dort zusammentraf; ihm aber folgten bald andere. So verkehrten denn in der Buchgasse alljährlich immer mehr Gelehrte, welche mit der Absicht nach Frankfurt kamen, sich den Verlegern als Korrektoren und als eine Art litterarischer Berater anzubieten, oder um mit ihnen zu verhandeln, sei es zur Anknüpfung neuer Beziehungen, sei es, um sich nach den neuesten litterarischen Erscheinungen umzusehen. Auch kauften sie hier an der Quelle für sich oder ihnen befreundete Bücherliebhaber ein und fanden, namentlich vor dem Erscheinen des Meßkatalogs (1564) Gelegenheit, in sonst kaum zu ermöglichender Weise eine größere Auswahl neuer Werke kennen zu lernen. Ein vereinzelt dastehender Fall ist der Besuch des Herzogs Johann Albrecht von Mecklenburg in Frankfurt, der hier 1552 einer Buchhändlerwitwe ihren ganzen, mit vielen und kostbaren Büchern ausgestatteten Buchladen abkaufte und mit ihm die Grundlage zur spätern rostocker Universitätsbibliothek legte.[1] Als Maximilian II. im Jahre 1562 in Frankfurt zum deutschen König gekrönt wurde, trafen im Gefolge des Kaisers Ferdinand unter andern auch damals namhafte Gelehrte dort


Fußnoten

  1. Tychsen, Geschichte der Universitätsbibliothek in Rostock. Rostock 1790. S. 26.


Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 465. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_08.djvu/018&oldid=- (Version vom 1.8.2018)