Wien vordringenden Türken drohte, dem Kampfe gegen die Presse eine Zeit lang ein Ende. Die verbotenen Schriften mehrten sich trotz der angedrohten schweren Strafen, ja, die Stände verlangten 1532 sogar Religionsfreiheit und wiederholten dieses Gesuch 1541 und 1547. Mit dem Einzug der Jesuiten in Wien begann aber eine neue Preßverfolgung. In dem Mandat vom 1. August 1551 wurden die alten Erlasse neu eingeschärft; es galt, den Protestantismus völlig auszurotten. Unterm 18. Februar 1559 und 30. August 1560 wurde zuerst die Abfassung und Verbreitung von Pasquillen und Schmachschriften verboten und dem Angeber eine Prämie von 300 Gulden aus dem Vermögen des Verbrechers oder, im Fall der Zahlungsunfähigkeit desselben, aus der königlichen Kammer ausgesetzt. Von ketzerischen Schriften, welche in den österreichischen Landen die Hauptveranlassung zur Bücherpolizei geboten hatten, ist hier gar nicht mehr die Rede. Offenbar sind sie unter jenen zugleich mit verstanden, wenn auch dem Charakter der Periode entsprechend manches wirkliche Pasquill mit untergelaufen sein mag.
Natürlich wurden die verschiedenen Reichsabschiede und kaiserlichen Polizeiordnungen auch in Österreich zur Nachachtung eingeschärft, sodaß nur einzelne Ausführungsbestimmungen für die Handhabung der Censur erlassen zu werden brauchten. Ferdinand, der anfangs mit den schärfsten Strafen gegen die Presse vorgegangen war, wurde mit jedem Jahre milder, während sein Bruder Karl anfangs milde Bestimmungen traf und in der letzten Hälfte seiner Regierung mit wahrer Grausamkeit gegen die Übertreter seiner Preßgesetze vorging. Ihr Nachfolger Maximilian II. begnügte sich mit dem methodischen und konsequenten Ausbau ihrer Mandate, unterwarf jede in den Erblanden zu druckende Schrift einer sorgfältigen, in ihren verschiedenen Stadien peinlich durchgeführten Censur und behielt sich in allen Fällen selbst die schließliche Entscheidung vor. Maximilian war allerdings, wenn gereizt, doch nicht so gutmütig und milde, wie er gewöhnlich geschildert wird, dennoch aber toleranter und namentlich gerechter gegen Andersdenkende, als sein Vorgänger Ferdinand und sein Nachfolger Rudolf II. Wenn für jene Thatsache die bereits erwähnte erbitterte Verfolgung des Gedichts „Nachtigall“ spricht, so liefert für diese das Dekret des Kaisers vom 2. Oktober 1573 an den Hofrat Georg Eder den erschöpfenden Beweis. Besagter Eder hatte in der Jesuitenkolonie Dillenburg in Nassau eine Schmachschrift gegen
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 555. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/034&oldid=- (Version vom 1.8.2018)