andern Fürsten und Reichsstädte, noch „schändliche und üppige Lieder ausgehn lassen, ohne Wissen und Willen Meister und Rats“. Letztere blieben aber trotzdem bei der frühern Praxis, nicht eher einzuschreiten, als bis man sie deshalb ansprach; so untersagten sie 1514 den Druck von Murners „Geuchmatt“ erst, nachdem die Barfüßer, die einen Angriff auf ihre Lebensweise argwöhnten, sich darüber beschwert hatten; Murner erhielt jedoch sein Manuskript zurück. Um die Verbote zu umgehen, setzten die Drucker bald ihre Namen nicht unter die bedenklichen Traktate, bald verbargen sie sich unter erdichteten. In der hieraus für den Magistrat entstehenden Verlegenheit berief er, wenn eine namenlose Schrift als beleidigend angegeben wurde, sämtliche Drucker und forderte sie auf, bei ihrem Eid den Schuldigen zu nennen. Im Jahre 1515 liefen Klagen ein über „schantliche Sprüche und Lieder“ gegen die Eidgenossen, 1516 über ein „würtembergisch Lied“ gegen die Kaiserlichen. Der Rat erneuerte die alten Verbote und fügte hinzu, man solle nichts neues derart herausgeben, es sei denn zuvor „durch den Ammeister oder den Doktor (Brant) besichtigt und zugelassen“: offenbar eine schwer auszuführende Maßregel. Weder der Ammeister noch der Stadtschreiber hatten die nötige Muße, um selbst kleinere Schriften zu untersuchen, bevor sie unter die Presse kamen. Im Jahre 1520, als die religiöse Polemik begonnen hatte, erließ dann der Rat abermals ein Verbot, nicht um die Besprechung der theologischen Fragen zu verhindern, sondern nur, um groben Beleidigungen Einhalt zu thun. Er strafte nie die Verfasser, er hielt sich an die Buchdrucker und Buchhändler, und diese wurden, summarisch genug, durch Konfiskation und Vernichtung der noch nicht verkauften Exemplare bestraft.
In Nürnberg dagegen zeigen sich schon vor der Reformation vereinzelte Ansätze von Repressivcensur. So wurde im Jahre 1513 der Drucker Wolfgang Huber vom Rate dafür gestraft, daß er gegen dessen Verbot eine Flugschrift über den Auflauf zu Köln gedruckt und verbreitet hatte; man setzte ihn vier Tage auf einen Turm „in eine versperrte Kammer“. Zugleich ward bei dieser Gelegenheit beschlossen, daß in Zukunft die „in eines Raths Verwandtnuß und underthenigkeit stehenden“ Buchdrucker alle Jahre von neuem Pflicht und Gehorsam schwören sollten. Im Jahre 1517 wurde allen Buchdruckern verboten, irgend ein neues Werk, groß oder klein, unangesagt und ohne Erlaubnis des Rats
Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 569. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_09.djvu/048&oldid=- (Version vom 1.8.2018)