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in die politischen Rechte des frankfurter Rates. Nebenbei benutzten sie auch die vielfach bestrittene Frage der dem Kaiser abzuliefernden Freiexemplare zur Erweiterung ihrer Macht; sie bot stets einen bequemen Anlaß zur Einmischung in die buchhändlerischen Interessen.

Die Censurverfügungen werden zunächst mit dem bestimmt ausgesprochenen Zweck erlassen, die Protestanten zu schwächen und zu demütigen, den Katholizismus aber zu heben und zu stärken. Kaum war der böhmische Aufstand niedergeworfen und Tilly siegreich in der Pfalz vorgedrungen, als am 2. September 1622 ein an sich unbeanstandetes größeres Werk, Joh. Dan. Mylius’ „Philosophia reformata“, vom Rate konfisziert werden mußte, weil der Verfasser es einem Rebellen, dem Kurfürsten Friedrich von der Pfalz und König von Böhmen, gewidmet hatte. Am 24. Juni 1626 erging der Befehl an den Rat, auf einen „höchstargerlichen intitulirten Catalogum etlicher Famosbücher und Tractätlein, so dem Hauß Österreich et Catholicis prejudicirlich, zu inquiriren und sie zu confisciren“. Dieser „Catalogus librorum mystico-politicorum, qui atumnalibus Nundinis Francofordiensibus anni 1626 in lucem prodiebunt“ (übrigens wohl nur als Satire und Fiktion aufzufassen, in Wien aber ernst genommen), enthielt nicht weniger als 46 anstößige Bücher mit fingierten Druckorten und Firmen, wie z. B. Neapel, bei den Erben Franz des Wahren, Madrid, im Hause der verletzten Gerechtigkeit, Paris, im Zeichen des aufgeblähten und kahlen Adlers, Löwen, im Hause der Verleumdung und im Zeichen des Ochsen im Himmel, Venedig, bei Justus im Zeichen des öffentlichen Wohles, Wien, im Hause des österreichischen Lutheraners Martin und im Zeichen der nackten Wahrheit, und endlich Antwerpen beim Päderasten Prädico, im Zeichen der sodomitischen Feuersbrunst. Die Jesuiten, Spanier und Habsburger sind der ausschließliche Gegenstand des Hasses und der Verachtung aller dieser Schriften. Neben den politischen Mysterien des Hauses Österreich mit angeblichen Kommentaren von Campanella, staatsrechtlichen Untersuchungen über die Nachfolge Ferdinands, dessen Sohn (der spätere Ferdinand III.) schon als Austriacissimus regierungsunfähig sei, und einer Abhandlung über das Haus Habsburg, welches dadurch seines Anspruchs auf die Kaiserkrone verlustig gegangen sei, daß es das Reich den Türken tributpflichtig gemacht und die Spanier ins Land gerufen habe, findet sich ein Werk angekündigt über die Kunst des

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Friedrich Kapp: Geschichte des Deutschen Buchhandels Band 1. Verlag des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler, Leipzig 1886, Seite 644. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Geschichte_des_Dt_Buchhandels_1_10.djvu/037&oldid=- (Version vom 1.8.2018)