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sozusagen zwischen Himmel und Erde fest saßen – eine ganze halbe Stunde lang, bis der Mechanismus wieder in Ordnung gebracht worden war. So mußte denn das Fräulein mit dem Portierssohn wohl oder übel diese Zeit über in dem engen Kasten als Gesellschafter vorlieb nehmen. Und da merkte –“

„Kind, nun wollen wir den Novellenstil bei Seite lassen,“ unterbrach die Gräfin gütig. „Also Du warst mit dem jungen Sicharski, der nebenbei ein selten hübscher Mensch ist, im Fahrstuhl eingeschlossen. Und da –“

„Ja, da merkte ich, Mama, daß Gerhard Sicharski nicht nur äußerlich recht gut aussieht, sondern auch über innere Eigenschaften verfügt, die ich ihm nie zugetraut hätte, da ich ja bereits wußte, daß er als Kunstschlosser auf der Kaiserlichen Werft beschäftigt ist und er mithin nur eine gute Volksschulbildung besitzen konnte. Zu meinem Erstaunen zeigte er sich nun bei dieser Gelegenheit, eben als wir so unfreiwillige Gefangene waren, in der Unterhaltung so gewandt und bewies auch so tadellose Umgangsformen, daß ich Dir gar nicht zu schildern vermag, wie überrascht ich war. Zeitweise vergaß ich ganz, daß ich den Sohn unseres Portiers vor mir hatte. Und – ich weiß nicht, wie es kam – aber mit einem Mal fühlte ich für ihn so etwas wie ein Interesse, fragte ihn nach diesem und jenem und erfuhr so, daß er einer von den seltenen Menschen ist, die sich trotz der widrigsten Verhältnisse, gestützt auf nichts anderes als ihren guten Kopf und ihre Energie, um jeden Preis aus ihrem Kreise emporarbeiten und etwas höheres erreichen wollen.“

Nachdem Beatrix jetzt die erste Scheu überwunden hatte, berichtete sie der gespannt zuhörenden Gräfin alles, was sie von Gerhard Sicharski wußte, von seinen Hoffnungen, seinen Zukunftsplänen und den Erwartungen, die er an seine Erfindung knüpfte.

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Walther Kabel: Gräfin Trixchen. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1922, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Gr%C3%A4fin_Trixchen.pdf/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)