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Diverse: Handbuch der Politik – Band 3

1. Es gibt keine von der Reichsgewalt verschiedene Landesstaatsgewalt; die letztere wird vom Kaiser als Organ des Reichs und im Namen desselben ausgeübt.

2. Die Verfassung Elsass-Lothringens ist Reichsangelegenheit; sie ist durch Reichsgesetz geregelt und kann durch Reichsgesetz, aber nicht durch Landesgesetz, abgeändert werden.

Die Veränderung des Verhältnisses Elsass-Lothringens zum Reiche hätte nicht notwendig eine Umgestaltung der inneren Verfassung des Reichslandes herbeizuführen gebraucht. Aber teils sollte für die Ausschaltung des Bundesrats aus dem Wege der Landesgesetzgebung ein Ersatz geschaffen werden, teils entsprach die Art, wie der Landesausschuss gebildet wurde, weder den Grundsätzen, welche in den anderen Staaten über die Bildung der Volksvertretung gelten, noch den Wünschen der Bevölkerung. Die Verfassung des Landes sollte auch in dieser Beziehung den[WS 1] in den deutschen Mittelstaaten bestehenden Grundsätzen entsprechend umgestaltet werden. Landesausschuss und Staatsrat wurden demgemäss aufgehoben und ein aus zwei Kammern bestehender Landtag an die Stelle gesetzt.

Die erste Kammer insbesondere soll einen Ersatz für die Mitwirkung des Bundesrats an der Landesgesetzgebung und – soweit erforderlich – ein Gegengewicht gegen die aus allgemeinen Wahlen hervorgehende zweite Kammer bilden. Ihr gehören an kraft ihres Amtes die Bischöfe zu Strassburg und Metz, sowie während der Sedisvakanz eines der Bistümer sein ältester Bistumsverweser, ferner der Präsident des Oberkonsistoriums der Kirche Augsburgischer Konfession, der Präsident des Synodalvorstandes der reformierten Kirche und der Präsident des Oberlandesgerichts zu Colmar. Eine zweite Gruppe von Mitgliedern wird durch Wahl berufen, nämlich ein Vertreter der Universität Strassburg, ein Vertreter der israelitischen Konsistorien, je ein Vertreter der Städte Strassburg, Metz, Colmar und Mülhausen, je ein von den Handelskammern zu Strassburg, Metz, Colmar und Mülhausen gewählter Vertreter, je zwei vom Landwirtschaftsrat aus im Hauptberuf in der Landwirtschaft tätigen Personen der Bezirke Oberelsass, Unterelsass und Lothringen gewählte Vertreter, von denen je einer aus jedem Bezirk bäuerlicher Kleinbesitzer sein muss, und zwei von der Handwerkskammer zu Strassburg gewählte Vertreter. Dazu sollen drei Vertreter des Arbeiterstandes hinzutreten, sobald durch Reichs- oder Landesgesetz eine Arbeitervertretung geschaffen ist, der die Wahl übertragen werden kann. Wählbar sind nur Reichsangehörige, die in Elsass-Lothringen ihren Wohnsitz haben und mindestens 30 Jahre alt sind.

Endlich werden in Elsass-Lothringen wohnhafte Reichsangehörige vom Kaiser auf Vorschlag des Bundesrats ernannt, deren Zahl die der übrigen Mitglieder nicht übersteigen darf. Die Mitgliedschaft der gewählten und ernannten Mitglieder dauert fünf Jahre von dem Tage an, an welchem ihnen die Wahl oder Ernennung amtlich mitgeteilt worden ist, falls sie nicht früher mit dem Wegfall der gesetzlichen Voraussetzungen für die Berufung sowie durch die Auflösung der ersten Kammer erlischt.

Die zweite Kammer geht aus allgemeinen und direkten Wahlen mit geheimer Abstimmung hervor; die Wahlperiode beträgt fünf Jahre vom Tage der allgemeinen Wahlen an. Die näheren Vorschriften über die Wahl sind in einem besonderen Wahlgesetz enthalten, welchem der Charakter eines Landesgesetzes beigelegt worden ist, das also im Wege der Landesgesetzgebung abgeändert werden kann. Nach dem Wahlgesetz besteht die zweite Kammer aus 60 Abgeordneten, welche in ebenso vielen Wahlkreisen, die auf die 23 Verwaltungskreise verteilt sind, gewählt werden. Voraussetzungen der Wahlberechtigung sind männliches Geschlecht, Reichsangehörigkeit, Zurücklegung des 25. Lebensjahres und ein mindestens dreijähriger Wohnsitz in Elsass-Lothringen. Jedoch genügt der Wohnsitz von einjähriger Dauer für diejenigen Einwohner, die in Elsass-Lothringen ein öffentliches Amt ausüben, Religionsdiener oder Lehrer an öffentlichen Schulen sind. Jeder Wahlberechtigte hat eine Stimme; der Vorschlag Pluralitätsstimmen zu schaffen, wurde abgelehnt. Wählbar sind die männlichen Einwohner Elsass-Lothringen’s, welche seit mindestens drei Jahren die Reichsangehörigkeit besitzen, ebensolange in Elsass-Lothringen ihren Wohnsitz haben, eine direkte Staatssteuer entrichten und das 30. Lebensjahr vollendet haben. Im Anschluss an das bestehende Gemeindewahlrecht sind von der Wahlberechtigung und der Wählbarkeit ausgeschlossen Personen, welche bei Abschluss der Wählerliste mit den für die letzten beiden Rechnungsjahre

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: der
Empfohlene Zitierweise:
Diverse: Handbuch der Politik – Band 3. Dr. Walther Rothschild, Berlin und Leipzig 1914, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Handbuch_der_Politik_Band_3.pdf/227&oldid=- (Version vom 14.9.2022)