Seite:HartmannObOst.pdf/87

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Sie fühlen auch, wie es besser wird, aber sie trauen der Dauer noch nicht. In ihrer Sprache denken sie, was Lätitia Bonaparte bei jeder Glücksbotschaft ihres Sohnes auf korsisch-französisch zu sagen pflegte: „Pourvu que ça dure“.

Endlich die Juden. Sie treten ja hier nicht nur als Glaubensgemeinschaft, sondern – wie nirgend sonst auf der Erde – als Volksstamm auf. Allerdings keineswegs mehr reinrassig, sondern durch trübe Schicksale in mannigfaltigster Blutmischung. In ihrer Hauptmasse jedoch sind sie Nachkommen jener Reichskammerknechte vom Rhein und Main, unter denen im Mittelalter die Geißelfahrer mit Mord und Brand grausig wüteten. Verarmt und verschüchtert entflohen sie nach Polen, dessen König Kasimir ihnen aus Liebe zur schönen Esther seine Städte öffnete. Starke Familienfruchtbarkeit hat sie im Werden eines halben Jahrtausends zu einem Hauptbestandteil auch der litauischen Landesbewohnerschaft gemacht. Noch immer jedoch reden sie das Mittelhochdeutsch ihrer Väter. Verloddert freilich; mit hebräischen und slawischen Behelfen durchwachsen, gleichwohl noch zu verstehen, wie Dir die Probe von neulich dargetan haben wird.

Empfohlene Zitierweise:
Fritz Hartmann: Ob-Ost. Gebrüder Jänecke, Hannover 1917, Seite 75. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HartmannObOst.pdf/87&oldid=- (Version vom 1.8.2018)