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Dies Stückchen ist mir in Kurland mehrfach erzählt worden. Die Balten sind stolz auf die bewiesene Rückensteife. Ich saß bei Tisch neben einem bekannten Baron. Er hat als russischer Rittmeister während des Türkenkrieges zweimal den Balkan überschritten und später in der Heimat einen hohen Verwaltungsposten bekleidet. Seine Tante ist von Nikolaus I. auf Nikolaus II. – im ganzen sechzig Jahre – Hofdame am Zarenhofe gewesen. Trotzdem hat sie nie Russisch gelernt! Selbst Alexander III. mußte Deutsch zu ihr sprechen.

Überhaupt die Frau! Ehre ihr! Sie ist die eigentliche Deutscherhalterin der Balten. Sie hat im Kampf um die Völklichkeit den Mann unablässig gestärkt und gestachelt. Sorglich hütete sie den Nachwuchs vor der gefährlichen Sprachmengerei. Ein Rheinländer erzählt von den deutschen Familien Petersburgs: „Kauderwelschen die Kinder deutsch-russisch, so ist’s ein reichsdeutsches, sprechen sie fehlerfrei, dann aber unfehlbar ein baltisches Haus.“ In der Unterdrückungszeit gründeten die Frauen Vereine, schufen Jugendhorte, Ferienkolonien, Mädchenkurse, Heimstätten, Leihbüchereien; ohne Unterschied des Standes wurden sie nicht müde,

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Fritz Hartmann: Ob-Ost. Gebrüder Jänecke, Hannover 1917, Seite 81. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HartmannObOst.pdf/93&oldid=- (Version vom 6.1.2021)