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erhöhten Tritten verfügten, und der eine nun dem andern die Frage vorlegte: „Wie heißt das erste Gebot?“ Der Angeredete antwortete natürlich: „Du sollst nicht andere etc.“, und richtete nun seinerseits folgende Frage an den Nachbar: „Was heißt das?“ worauf derselbe sagte: „Wir sollen Gott über alle – vertrauen.“ In dieser Weise gingen erst die 2 Knaben, dann auch 2 Mädchen die 10 Gebote durch und die sogenannte Katechismuspredigt schloß hierauf das Examen[1], bei dem man sich also begnügte, den religiösen Stoff dem Gedächtniß der Kinder eingeprägt zu haben, aber nicht daran dachte, ihn auch mit dem Verstande und mit dem Gemüthe zu durchdringen. Um wie viel glücklicher müssen sich da nicht unsere Kinder schätzen, die auch in religiöser Beziehung mit dem Worte den Begriff empfangen!

Das erwähnte Betonen des religiösen Stoffes veranlaßte es nicht nur, daß die Zöglinge der Neustädter Schule den Gottesdienst regelmäßig besuchen und sich deshalb von der Anstalt aus im Zuge nach dem Gotteshause begeben mußten, sondern erklärt auch den etwas seltsamen Umstand, Schulknaben zum Verlesen von Texten bei gewissen Gottesdiensten zu verwenden. Hilscher erzählt in seinem „Etwas zur etc.“, Seite 156, daß ein Knabe bei der am Neujahrstage nach der Mittagspredigt stattfindenden Vesper das Evangelium, in der Betstunde Donnerstags vor einem Bußtage, dann in der Mittagspredigt des letzteren selbst, wie ebenso in den Wochenpredigten früh ½ oder ¾7 Uhr den Psalmen, und bei derselben Gelegenheit während der Fastenzeit den zu besprechenden Passionstext verlas.

Man glaube indessen nicht, daß bei der vielfachen Beschäftigung mit religiösen Gegenständen sowohl innerhalb als außerhalb der Anstalt die Schüler von weltlichen Angelegenheiten ganz fern gehalten worden wären, wie der Umstand beweist, daß 1732 und auch 2 Jahre später der damalige Rector M. Kretzschmar bei ausschließlicher Betheiligung seiner Zöglinge eine „doppelte dramatische Uebung“ veranstaltete. Ueber die erste derselben ließ sich nichts ausfindig machen; dagegen sind einzelne Nachrichten vorhanden, welche die 2. Aufführung vom Jahre 1734 betreffen. Zu dieser ließ der schon genannte Rector ein deutsches Programm[2] drucken, in welchem er nicht


  1. Etwas zur etc. Seite 152, § 7.
  2. Hist. Sax. G., 237. 30.