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sich der Rat zu Aachen[1] „aus erheblichen Ursachen“ genötigt, eine neue Bettlerordnung zu erlassen.

Gleich der erste von den 18 Artikeln der Ordnung bestimmte summarisch, daß alles öffentliche Betteln auf den Gassen und vor den Häusern inner- und außerhalb der Festung gänzlich abgeschafft werden sollte. Niemanden, weder Einheimischen, noch Fremden, war zu betteln erlaubt, er wäre denn im Besitze eines Konsistorialzeugnisses. Die übrigen 17 Artikel gaben an, durch welche scharfe Maßnahmen man sich der Plage am besten und dauernd erwehren sollte.

Von der Wirkung der Ordnung war aber nichts zu spüren. Die Bettler wurden nur unverschämter, und die Klagen darüber hörten nicht auf[2]. Vom frühen Morgen bis zum sinkenden Abend durchzogen Bettlerscharen die Festung. Meist in Gruppen zu 10, 15 und wohl auch mehr umringten sie die Passanten und erzwangen von ihnen Almosen. Ganz besonders gern trieben sie ihr Gewerbe vor den Kirchen, auf den Märkten und in der Schloßgasse. Kommunikanten vertraten sie den Weg; zur Trauung sich begebende Hochzeitleute belästigten sie; bei Begräbnissen fanden sie sich vor dem Trauerhause ein, und hatten sie Almosen empfangen, dann verhöhnten sie die Geber obendrein.

Die Zahl der Nichtstuer hatte sich ständig vergrößert; im März und Mai 1639 zählte man deren über 1400[3]. Der Kurfürst war aufgebracht über die zunehmende Unordnung in seiner Residenzstadt und ersuchte am 4. Juni 1638 den Rat dringend, dem Übelstande mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu steuern, da leider schon „die Hauptfestung mit Verwunderung fremder Leute in die Nachsage gesetzt wird, daß fast in keinem Orte als hier zu Dresden größere Unordnung zu finden sei.“ Der Kurfürst wünschte scharfe Kontrolle in Altendresden und in den Vorstädten[4], da sich dort „viel eingeflehete Leute, herrenlose Gesindel, auch andre Bursche, so vermutlich denen Regimentern noch obligat, aufhalten sollten.“ Aller vier Wochen mußten die Bettelvögte Visitation halten. Ungerecht und hartherzig wollte man dabei auch nicht erscheinen. Man


  1. Wohlhage: S. 37.
  2. A II 7.
  3. Loc. 1886 und B XIII 8.
  4. C VI 2.