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Seite:Heft29VereinGeschichteDresden1921.djvu/28

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„wunderbaren und kolossalen“ Stimme berühmt, sondern vor allem auch wegen seiner gesangstechnischen Meisterschaft. Marie Börner-Sandrini, die Tochter einer der gefeiertsten Sängerinnen der Dresdner italienischen Oper, Luiggia Caravoglia-Sandrini, schreibt in ihren Erinnerungen (Dresden 1876), sie besinne sich nicht, jemals ein solches Anschwellen des Tones, einen ähnlichen Triller gehört zu haben. Ersteres beruhte auf einer Atemkultur, die phänomenal zu nennen war und oft Hörer zu Wetten veranlaßte über die Zeitdauer seiner gehaltenen Töne. Überdies rühmte man seine seltene Begabung für die jener Zeit im Gesang übliche Kunst des Verzierens und Variierens. Kurz, er war eine Dresdner Hörenswürdigkeit könnte man sagen und wurde als solche bewertet. In den Reisetagebuch-Aufzeichnungen eines dänischen Komponisten Rudolf Bay, datiert Dresden am 6. Oktober 1822, liest man, daß er bei dem berühmten Kapellmeister Carl Maria von Weber eingeführt worden sei, der sein geringes Talent sehr schmeichelhaft gewürdigt und ihn 11 Uhr zur feierlichen Kirchenmusik in die katholische Hofkirche bestellt habe, „wo er den Kastraten Sassaroli expreß etwas extraordinäres singen lassen will, damit ich ihn recht zu hören bekomme.“[1]

Wenn Spohr in den Programmbemerkungen zu dem Adagio seiner Sonate meinte, daß man das von ihm wiedergegebene Responsorium der Chorknaben auch in andern katholischen Kirchen höre, so irrte er nun freilich; andernfalls es doch sicher auch sein vielgereister Kollege Mendelssohn in der Einleitung seiner Reformations-Sinfonie nicht geradezu als Lutherisches Glaubensmotiv aufgenommen haben würde. Mit andern Worten, dieses „Dresdner Amen“, das Wagner in seinem Parsifal als Gralsmotiv verewigte, ist nach der Überlieferung evangelischen Ursprungs[2] und in den Dresdner Kirchen, vor allem in der Kreuzkirche, im Gottesdienst im Gebrauch gewesen. Man darf also annehmen, daß es Richard Wagner nicht erst, als er wieder nach Dresden kam, sondern schon in seiner Kreuzschülerzeit kennen und es z. B. auch bei seiner Konfirmation am 8. April 1827 gehört haben mußte. So fand das Amen – als „altes Dresdner Amen“ bezeichnet – schließlich im Jahre 1888 auch in die von Oskar Wermann redigierte Agende der Landeskirche Aufnahme, und zwar in die Liturgie A (Hauptgottesdienst an Sonntagen) als nach dem Segen zu singen. Als Komponist pflegte allgemein Naumann genannt zu werden, doch fehlt freilich für diese Annahme Begründung oder Nachweis. Folgt man den stilkritischen Untersuchungen Carl Johann Perls im „Zwinger“ (Heft 1; 1920), der in dem Amen eine „schlichte böhmisch-protestantische Volksmelodie“ erblicken zu dürfen glaubt

  1. Saffaroli erhielt 17000, Tarquinio 14000 Taler Gehalt! (Dr. Kurt Kreiser; C. A. Reißiger. Dresden, 1918, S. 78.)
  2. Eine gegenteilige Annahme läßt die Weise auf den Ausklang (Alleluja) einer Antiphonie zum Magnificat Toni quarti zurückgehen.