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Seite:Heft29VereinGeschichteDresden1921.djvu/29

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und meint, sie könne von Zelenka in den Dresdner katholischen Gottesdienst gerettet worden sein, so käme man, setzte man an die Stelle des Namens des altböhmischen Meisters, den Naumanns, auf die Vermutung, dieser Komponist könne mit der Übernahme einer solchen in Verbindung gebracht werden. Sei es, daß er sie den im Archiv der Brüder-Unität in Herrnhut aufbewahrten Gesängen der böhmisch-mährischen Brüder entlehnt habe oder von ihnen angeregt worden sei. War doch Naumann – ohnedies stets von besonderem Interesse für kirchenmusikalisches Schaffen erfüllt – selbst in Herrnhut gewesen und von der edlen Einfalt des Gottesdienstes der Brüdergemeinde und der ergreifenden Wirkung ihres Gesanges nachhaltig berührt worden. Auch war er dem Dresdner Herrnhuter Kreise im gesellschaftlichen Leben nähergetreten, und wird doch auch von einem rührenden, kindlich-frommen, ganz dem Geiste evangelischer Glaubensgemeinschaft entstammenden Vater Unser berichtet, das später aus den alten „Kirchengesängen der Brüder in Böhmen, Mähren und Polen“ seinen Weg nach Dresden fand[1]. Es war der Hoforganist an der evangelischen Hofkirche Friedrich Georg Kirsten (gest. 1825), der es laut seinem in der Stadtbibliothek in Dresden aufbewahrten handschriftlichen Diarium aufgefunden und im Juni 1819 sich nicht nur wiederholt „vorm Hause“ von den Chorknaben seiner Kirche, wie denen der Kreuzkirche hat vorsingen lassen, sondern auch berichtet, daß der Gesang in der Kreuzkirche wie im Johannisfest-Vespergottesdienst der Hof- und Sophienkirche zur Aufführung kam. Mit Genugtuung fügt dieser Eintragung der Tagebuchführer hinzu, daß der Eindruck wieder ein solcher gewesen sei, daß mehrere Tage nachher noch ihm von Hörern bezeugt worden sei, wie außerordentlich tief sie der Gesang ergriffen habe.

Sieht man nun aber von einem unbedingten Festhalten an der Überlieferung einer Naumannschen Urheberschaft am Dresdner Amen ab, so gewinnt eine andre Annahme von dessen Ursprung beträchlich an Gewicht, die vertreten wird von dem als besonderen Kenner der Liturgik bekannten und geschätzten Johannes Biehle-Bautzen. Sie geht davon aus, daß diese Melodie weder dem Stil und Geist der katholischen Liturgie, noch dem der protestantischen entspreche. Vielmehr dürfte man dieses Stück für weltlichen Ursprungs halten, der noch vor Naumann zurückreiche, und zwar solle am Hofe Augusts des Starken dieser Satz eine Instrumentalfanfare für feierliche Hofanlässe gewesen sein. Man müsse auch zugeben, daß dieses Amen, für uns von unvergleichlicher Schönheit und Wirksamkeit im Gottesdienst, als Trompetensatz für Hoffeste mit dem Aufstieg zur Quinte nicht


  1. Eine Abschrift aus der aus dem Jahre 1606 stammenden deutschen gedruckten Ausgabe – die in böhmischer Sprache stammt aus dem Jahre 1561 – besitzt der Verfasser dieser Schrift.