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oder daß der, welcher sündiget, nicht weiß, was er Böses thue, wovon Ps. 19, 13. Oder es entstehen einem in seinem Herzen unversehens böse Gedanken, denen man doch alsbald widerstrebt; oder es entfahren einem Worte, ja auch wohl böse Werke, von denen er alsbald wünschet, daß sie ihm nicht entfahren wären.

 235. Der berührte Unterschied der Sünden besteht sonach darin, daß das eine Todsünde ist, was wider Gewissen, aus Vorsatz und Bosheit geschieht und von dem der Mensch weiß, daß es unrecht ist, es aber doch nicht unterläßt, Peccatum veniale oder tägliche Sünde ist, was, obschon es böse ist, doch ohne Vorsatz, allein aus Schwachheit und Unwissenheit begangen wird.

 236. Dieser Unterschied erweiset sich damit, daß, wenn eine Todsünde begangen wird, darein alle Kräfte des Menschen willigen, der Sünde das Regiment gelassen, also der h. Geist ausgestoßen, der Glaube, welcher seine Zuversicht auf Christum, den Sündenträger gesetzt hat, dahin geworfen wird. Das ist eine Todsünde, weil ein solcher Mensch weder Sünde noch Gottes Zorn, Strafe, der Sünde Beichtung oder auch Vergebung achtet. Ein solcher Sünder kommt dem ewigen Tode am allernächsten, und kann schwer zur Buße gelangen, weil er nicht sowohl die Sünde hassen kann, welche ihn so hoch beliebt hat, daß er derselben wegen Gottes Gnade und Ungnade, Verheißung und Drohung und Strafe verworfen und nichtig geachtet hat. Er läßt sich nicht leicht durch Gottes Gesetz bewegen, die Sünde ernstlich und herzlich zu bereuen, wie auch solches nicht vermocht hat, ihn von der Begehung der Sünde abzuhalten.