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1 Kön. 8, 27. „Meinest du, daß Gott auf Erden wohne? Siehe, der Himmel und aller Himmel Himmel mögen dich nicht versorgen.“ Ps. 139, 7 ff. „Wo soll ich hingehen vor deinem Geist, und wo soll ich hinfliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da, bettete ich mir in die Hölle, siehe, so bist du auch da; nähme ich Flügel der Morgenröthe und bliebe am äußersten Meer, so würde mich doch deine Hand daselbst führen, und deine Rechte mich halten.“

 59. Damit aber wird Gott nirgend in die Geschöpfe eingeschlossen, wie er auch nirgend von einer Creatur ausgeschlossen ist. Wir vermögen zwar nicht zu begreifen, wie Gott an allen Orten zugegen sein könne, da er doch ein Geist ist, und keine unterschiedliche Stücke nach Gliedmassen an sich hat; jedoch, da wir der Natur glauben, daß die menschliche Seele ein Geist sei, der nicht getheilt werden mag, und doch unzertheilet allen Gliedmassen zugegen ist, ob wohl Niemand ganz verstehet, wie solches zugehe, warum sollten wir denn nicht glauben, daß das göttliche Wesen allenthalben gegenwärtig sei, ob wir schon nicht auszuforschen noch auszudrücken vermögen, wie solches geschehe?

 Daraus folgt, daß Gott, wie er allenthalben gegenwärtig ist,

 60. f. auch unermeßlich und unendlich ist, worunter nichts anderes zu verstehen ist, als daß Gottes Wesen nicht umschrieben werden mag, sondern, gleichwie alles andere, das erschaffen ist und seine gewisse Endschaft, Maaß und Ziel hat, dem göttlichen Wesen kein Ziel oder Maaß gesetzt werden kann.