Seite:Heinrich Brandt - Darlegung der Glaubenslehre der evangelisch-lutherischen Kirche.pdf/94

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gutes thun wollte, (es sei beten, göttliche Geheimnisse und Werke betrachten, oder andere Werke der Gottseligkeit üben) ein fremder, auch wohl widerwärtiger Gedanke komme; dann, daß er eine Müdigkeit darüber empfinde und ihm ein langes Beten und andere gottselige Werke etwas Verdruß bringen. Findet er’s also bei sich, so hat er an ihm selber einen lebendigen Zeugen, daß sein Wille in geistlichen und gottseligen Werken vielfältig verhindert werde, und demnach nicht frei sei, das Gute zu thun und das Böse zu unterlassen.

 206. Mit andern Thieren hat der Mensch gemein die Sinne, Appetit oder Begierden sammt seinen Affecten, und dann die Bewegung. Mit andern Geschöpfen hat er gemein die Kräfte, die zur Nahrung und Fortpflanzung des Geschlechts gehören, in welchen allen sich großes Verderben befindet. Denn Augen und Ohren sind zur Bosheit, zu schädlichen und schändlichen Dingen, mit welchen man sich erlustiget, geneigt, da hingegen bei ihnen eine besondere Unlust und Verdruß an dem ist, was ehrbar, gut und nützlich ist; wie offenbar ist, daß man mit Lust einem Gauckelspiel, von dem doch kein Nutzen geschöpft, sondern allein Leichtfertigkeit und Bosheit gelernt wird, einen ganzen Tag zusieht; daß man aber eine nützliche und zur ewigen Wohlfahrt erbauliche Predigt zu hören, bald einschläft, oder ihrer zum wenigsten müde und überdrüßig wird.

 207. So ist’s auch mit allen Lüsten und Affecten; Jeder wird in Zorn, in Liebe, in Begierden nach Reichthum u. s. w. die Erbsünde, d. i. die natürliche Unart und das natürliche Verderben mehr, als ihm lieb sein mag, verspüren.