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Apostel Röm. 2, 14. 15.: „sie seien ihnen selbst ein Gesetz und ihre Gedanken verklagen und entschuldigen einander wegen dem Bösen, das sie gethan haben.“

 211. Insonderheit aber und eigentlich weiset das göttliche Gesetz, was Sünde sei oder nicht. Denn darum schreibt St. Paulus Röm. 3, 20. „durch das Gesetz kommt Erkenntniß der Sünde,“ und Römer 7, 7.: „Die Sünde erkannte ich nicht ohne durch’s Gesetz, denn ich wußte nichts von der Lust, wo das Gesetz nicht gesagt hätte: Laß dich nicht gelüsten.“ Deßwegen wird das Gesetz mit Recht verglichen einem Spiegel, darin man die Unreinigkeit des Angesichts erkennt, Jacob. 1, 23.

 212. Nimmt man denn das Gesetz zur Hand und forschet, was eigentlich Sünde sei, so wird dasselbe anzeigen: Sünde sei alles dasjenige, was dem göttlichen Gesetz zuwiderlauft, wie St. Johannes 1 Epist. 3, 4. die Sünde beschrieben hat. Denn wie alle Uebertretung der weltlichen Gesetze für Missethat in den gemeinen Regimenten geachtet wird, so ist Alles vor Gott Sünde, womit Gottes Gebot übertreten wird.

 213. Dabei entstehet die Frage: Ob auch das, was unwissend oder wider Willen begangen wird, Sünde sei? Darauf muß mit Ja geantwortet werden, weil man wider Gottes Gebot nicht nur aus freiem Willen und Vorsatz, sondern auch unwissend mit Worten, äußerlichen Geberden innerlicher Lust und Gedanken thun kann, weshalb folgende zwei Punkte wohl zu beachten sind:

 214. Erstlich: daß auch Dasjenige Sünde sei, was unwissend und wider Willen begangen