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wird. Denn a. gleichwie auch der tödtet, der es unwissend thut, so übertritt der sowohl Gottes Gebot, welcher es wissend thut, als der, welcher die Sünde unwissend begeht; besonders weil nach St. Johannis Lehre, Alles, was von dem göttlichen Gesetze abweicht, Sünde ist, so muß ja das auch Sünde sein, was von Gottes Gesetz unwissend abweicht.

 215. b. Die Schrift unterscheidet die Sünden, die mit Willen oder ohne Willen geschehen. Denn St. Paulus klagt Römer 7, 16. 19., er sei eben damit unter die Sünde gefangen, daß er das Böse, das er nicht will, thue; und 1 Timoth. 1, 13. gedenkt er der Sünde, daß er die Christen verfolgt hatte, und setzet Sünde und Unwissenheit zusammen: „Ich war zuvor ein Lästerer und ein Verfolger und ein Schmäher, aber mir ist Barmherzigkeit widerfahren, denn ich hab’s unwissend gethan im Unglauben,“ Hebr. 10, 26. wird insonderheit von muthwilligen Sünden gelehrt, daraus zu schließen, daß andere Sünden seien, die nicht mit Willen geschehen.

 216. c. Im mosaischen Gesetze waren gewisse Opfer verordnet für die, welche aus Unwissenheit gesündigt hatten, 3 Mos. 4, 2. 13. 22. 27. Cap. 5, 4.

 217. d. Auch bitten die Heiligen Gott dem Herrn ihre Sünden ab, die sie ohne Wissen und Willen gethan hätten, Ps. 19, 13. „Wer kann merken, wie oft er fehlet? Verzeihe mir auch die verborgenen Fehler!“

 218. Zweitens ist wohl zu beachten: daß auch das Sünde sei, was allein in Gedanken bestehet, z. B. wenn Jemand, der seinen Nächsten herzlich zu lieben begehrt, vernimmt, der Nächste habe ihm eine Untreue bewiesen, so kann es nicht wohl sein,