Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/102

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da einer den andern nicht mehr kennt noch versteht, in die Unsicherheit, da keiner dem andern mehr traut, in die Ängstlichkeit, da das Weib dem angetrauten Gemahl, der Mann dem Weibe seiner Wahl nicht mehr ganz glauben kann, in diese Zerfahrenheit und Auflösung aller Verhältnisse spricht der Herr. Alles vergeht, Staub zu Staub, Asche zu Asche, Geschlechter drängen sich von der Weltbühne hinab in den Abgrund, Völker vergehen, Welten stürzen zusammen, und in diesen großen Weltenbrand, in diese Verstörung all dessen, was bleibt, spricht der Herr. In die Schöne der Kunst und des Klanges, in die Herrlichkeit der Farbe und des Bildes, in die wunderbar seligen Melodien und höllischen Klänge, in diese ganze wundersame Welt spricht der Herr. Und in eines einzelnen Menschen Herz, eines armen Hirten, eines landflüchtigen Wanderers, eines Fischers, der über zerrissenen Netzen weint und am morschen Kahne einsam lehnt, spricht der Herr. In die Seele eines, der den Pfad verloren, in das enttäuschte Leben eines Weibes, das verraten hat und verraten ist, in die Tränen der Sünderin, die ihre Salbe vor ihm ausgießt, in die suchende Seele des auf dem Wege nach Damaskus Schreitenden spricht der Herr. Seht, keine Welt ist ihm zu groß, daß Er nicht sie übertönte, übermöchte. Und keine Welt ist ihm zu klein, daß Er ihr nicht sein teueres Wort gönnte. Er ruft in die Weiten, in die Jahrtausende hinein und Er spricht in die kurze Spanne eines Menschenlebens. Er wendet sich an Jahrhunderte als Tröster und Er begibt sich zu einem einzelnen Armen, den die Welt nicht nennt und nie kennen wird. So spricht der Herr.

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 Und dieser Herr, so sage ich, will mich nicht betrügen, denn Er ist treu. Und wenn sie es mir tausendmal nachweisen würden, daß dieses Wort sich widerspricht, daß es nicht so sein kann, daß es nicht so sein darf, so würde ich aus der Erfahrung meines Lebens und aus der Vergebung