Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/107

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Und je leerer deine Seele und je ärmer dein Sinn und je verlassener deine Behausung, da aus allen Winkeln das Gespenst des Kummers und der Not grinst, je teuerer und treuer ist dieses Wort: komm, Ich will dir wieder den rechten Weg zeigen! Und auf einmal hörst du wieder die süße Stimme deiner Mutter, wie sie vor Zeiten dich zu sich beschied und dich tröstete, wie kein Mensch dich je seitdem getröstet hat. Und du vernimmst wieder die Klänge der heimatlichen Glocke, wie du sie nie mehr seitdem gehört hast. Und du kannst wieder weinen und das Wort tröstet dich aus tiefster Not. Denn in dieser Stunde wachen in dem Worte alle die Seufzer, Tränen, Klagen, Sorgen, Sünden, die seit Jahrtausenden ihm anvertraut sind, wieder auf, nicht mehr aber als ein bedrängendes Heer von Gespenstern, sondern als eine frohe Schar von Getrösteten; nicht mehr als schauerhafte Erinnerungen aus dem Grabe, Schemen und Lemuren, die man bannen möchte, sondern „was für ein Volk, was für eine edle Schar kommt dort gezogen schon?“ Die Getrösteten des Herrn! Seht, an alle Armen wendet sich dieses Wort. Und wenn du in der ärmsten Dorfkirche sitzest und rings um dich Dumpfheit und Stumpfheit und alles so schwül und gewohnheitsmäßig, der bleierne Kirchenschlaf sich bei deiner Umgebung einstellt und du hörst das Wort: So spricht der Herr: Kehre wieder, abtrünniges Israel! Ich will mich deiner erbarmen! Dann merkst du, ohne lange zu fragen, wem das Wort gilt. Das gilt dir! Welch eine wunderbare Gnade ist es doch, daß in die ungeweihten und unreinen Hände der Sünder und der Frevler dieser Schatz gelegt ist! Welch eine Gütigkeit ist es, daß auf die unreinen Lippen, die da leer, töricht, schamlos reden, diese heilsame Arznei gelegt wird. Denen gilt das Wort, die es brauchen und bei denen bleibt es auch, die es brauchen wollen.

 Und nun laßt mich schließen mit der Antwort auf die Frage: wozu ist das Wort gesprochen?