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es doch dabei, daß der Mensch das wird, wozu er sich macht. Wenn wir so von dem Erziehungswerk und von den Eltern- und Herrenpflichten Abschied nehmen, tun wir es nicht ohne zu bitten, daß der Herr, unser Gott, allem Werk in Haus und Schule, in Kirche und Staat sein gnädiges Gedeihen geben wolle. Wo Autorität nicht mehr ist, da wanken die Grundfesten des Hauses und Staates und wo der Eltern Wille nichts mehr gilt, kann auf die Dauer ein Land sich nicht mehr behaupten. Darum wenden wir uns jetzt zu den Elternrechten und den Kindespflichten.

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 Zum ersten: dem Kinde seien die Eltern die höchste Autorität! Der erste Trieb, der im Kindesleben erwacht, ist der Trieb der Bewunderung, dem der Feind alles Lebens den Trieb zur Zerstörung als Gegengewicht gibt. Das Kind weiß nichts Größeres als seinen Vater und nichts Herrlicheres als seine Mutter und sucht diese Bilder ins Herz zu nehmen und durch Nachahmung ihnen gleich zu werden. So wie die Eltern mit Schrecken ihre eigenen Sünden und Fehler, ihre Bequemlichkeit und ihre Lässigkeit der Selbsterziehung in dem Wesen ihrer Kinder wieder erblicken und in den Fehlern ihrer Kinder ihre eigenen Sünden nur allzu deutlich sich wiederspiegeln sehen, so dürfen sie auch den Kampf der Heiligung, den sie führen, und den Ernst der Selbstzucht, den sie üben, in der bewundernden Nachahmung ihrer Kinder sehen. Darum wehre niemand, wenn ein Kind in seinen Eltern das Höchste und Herrlichste auf Erden erblickt; denn aus der Bewunderung entsteht das Autoritätsgefühl und das Kind, das nicht mehr bewundern kann, wird auch Autorität nicht mehr anerkennen! Diese Bewunderung und Autorität spiegelt sich in der Gedankenwelt des Kindes. Wenn ein Kind noch so müde ist, der Gedanke an die Eltern macht es froh und frisch; wenn es noch so traurig und betrübt durch Krankheit und Leid