Seite:Hermann von Bezzel - Die zehn Gebote.pdf/178

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 Ihr seht, welch großes Feld unsere Erklärung des fünften Gebotes uns aufzeigt – helfen und fördern. Aber, so sprecht ihr: überschätzest du auch nicht den Leib? Ihr kennt wohl alle das Wort des alten Philosophen, daß der Leib ein Kerker der Seele sei und es unsere Aufgabe sei, die Seele möglichst rasch dem Körper zu entnehmen. Und das sagst du von dem Leibe, den dein Heiland erwählte, ans Kreuz trug, mit ins Grab nahm und den Er verklärt dem Grabe entnahm! Das sagst du von dem Leibe, über den Gott so viel Gnade ausgegossen hat! Wie der Psalmist sagt: Wunderbar bin ich gemacht und das erkennt meine Seele wohl. Von dem Leibe, dessen Auge ein Meisterwerk Gottes, dessen Hand ein Musterstück seiner Weisheit ist! Nein, Geliebte, so gering wir das leibliche Leben halten müßten, wenn es allein wäre und allein gehalten werden sollte, so froh sollen wir von ihm denken, und sollen beten, daß ein gesunder Leib uns bescheret wird. Betet für euren Leib, daß er genese, frisch und frei, froh und tüchtig sei, um die große Aufgabe, die der Herr ihm gestellt hat, zu bewältigen! Betet um Gesundheit nach der vierten Bitte, daß der Herr euch feste Schritte tun lasse, damit ihr wohl ausrichtet, was euch befohlen ist! Wartet eures Leibes und gedenkt seiner, nicht zur Erreichung und Befriedigung der Begierden, aber in der Pflege als eines euch anvertrauten Kleinodes!

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 Achte seiner! Und so jämmerlich ein Mensch ist, der sein Leben schont und alle Anstrengung krankhaft von ihm ferne hält, so wenig ist ein Mensch deswegen frömmer, wenn er seiner nicht achtet und nicht schont. Weil er ein Tempel des heiligen Geistes ist, das ist das Letzte der heutigen Betrachtung, darum achte du auf deinen Leib! Wisse, das ist ein Selbstmord feinster Art unter dem Schein der Frömmigkeit, wenn man nicht mehr wartet seines Leibes, sondern meint: dann sei es vorbei und die ewige Freude kehre ein. Jener fromme Mann hat dazu gesagt: Meinst