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alles Nötige und Mögliche zu versuchen, daß in dem Bezirk der Häuslichkeit, in den Schranken der Familie, die man dadurch eben sich selbst zurückgeben kann, Größtes geschehe, ehe man an die anstaltliche Versorgung denkt, die nur Notbehelf sein darf.

 Wir leben im Zeitalter des Persönlichen, dessen Pflege viel mehr Zeit kostet, aber auch reicher sich lohnt. Und gerade in Bayern, wo die Verhältnisse nicht in eiliger Folge, sondern in stetiger Entwicklung sich verschieben, kann durch Arbeit von Person zu Person noch viel gewonnen werden. Darum werde das Recht, welches die Not gibt, ausgenützt und der Einzelne zum Dienst geworben.

 Wo aber Anstalten errichtet werden müssen, weil eben kein anderes Hilfsmittel mehr ausreicht, da soll das Recht aus Einfachheit und Schlichtheit nicht vergessen werden. Die Anstalt darf weder die Erinnerung an frühere Not verdrängen noch die Kraft, spätere zu ertragen, verringern. Es ist nicht gut, wenn Werke, die der christlichen Freigibigkeit ihre Existenz verdanken, über die ihnen gezogenen Bedingungen hinausgehen und Ansprüche vermitteln, die das spätere Leben kaum erfüllt. Edle Einfachheit drückt nicht, aber erzieht. – Staatliche bauten verfolgen noch andere Zwecke, wollen vorbildlich schaffen und belehren. – Aber lieber entstehen etliche Sammelorte und Werke, die der Not dienen in stiller Einfalt, ehe eines in Pracht seine Herkunft vergessen läßt.

 So wird aus dem edlen Rechte der Jüngerschaft, die immer lernt, auch in Bayern manche neue Frage erhoben, manche alte von neuem untersucht werden müssen.

 Wir denken noch an die Schreibstube, die so manche verunglückte Existenz, welche von dem unbarmherzigen Wettkampf der Kräfte bei Seite geschleudert wurde, beschäftigt und zu neuer Arbeit befähigt, ihr wenigstens das schwerste Gefühl, unnütz zu sein, nimmt, erinnern uns an die großen Arbeiten, welche der sel. D. v. Bodelschwingh durch Gründung von Werkstätten, in denen Abfälle und wertloses Zeug verarbeitet wurde, weithin eröffnete. Unübersehbar ist das Meer des Elends unserer Tage: es abzuleiten ist unmöglich, es einzudämmen nur ein Teil der Hilfe. Aber Werke zur Rettung der Schiffbrüchigen, in denen sie leben und arbeiten und lernen können, müssen sich erheben.

 Letzter Grund all dieser Arbeit ist das Gebot der Liebe, ein kurzes Gebot und ein langes Gebot, ein leichtes Gebot und ein schweres Gebot, kein Gebot und doch alle Gebote! Des Bruders Hüter zu sein ist nicht lästige Pflicht, sondern gottgeschenktes Recht. Ihm wieder die Sonne in Herz und aufs Angesicht fallen zu lassen ist das Recht derer, denen diese Sonne das