Großen und Gewaltigen, die Einflußreichen und Pracht und Macht und Bedeutung nicht zur Seite hat. Seht ihre von Leid durchfurchteten Züge, ihre von ernster Arbeit gestählte Hand! Eure Kirche hat zwei Kräfte: die Welt kennt sie nicht, aber vor Gott sind sie angenehm und erhört: Buße heißt die eine, Glaube die andere. Am Ende werden diese Kräfte Siege bedeuten.
Und in all ihrem Leid ist die bräutliche Kirche nicht selbstsüchtig, von tatenlosem Mitleid mit sich hingenommen der Welt zur Last, dem Herrn zur Unehre. Sie hat eine Welt zur Liebe um sich – könnten wir sonst Missionsfeste feiern? Ohne der Not im eignen Hause zu vergessen und so den Glauben zu verleugnen, ja unterheidnisch zu werden (1. Tim. 5, 8) vielmehr voll ernsten Jammers über die Erschlagenen ihres Volks und ihnen mitzuteilen bereit, was ihr Herr an Liebe und Güte ihr anvertraut hat, geht sie seit zweihundert Jahren hinaus in die Heidenwelt, zu suchen, zu werben, zu locken und zu laden. Es ist ein bräutliches Tun, sein Leid zu vergessen, indem man andre mit Freude antut. In diesem Jahre gedenkt man der 75 jährigen Tätigkeit der Dresden-Leipziger Mission unter den Tamulen: Wermelskirch, den Löhe treffend den „Bischof Thüringens“ genannt hat, mit dem Ernst der im Kampfe gestählten Treue, Cordes, der 1841 zu Trankeber die Tamulenmission aufnahm, die Direktoren Graul und Hardeland, Geistesreichtum und Willensgröße wirksam vereint, die treuen Missionare Wilhelm Stählin, Andreas Mayr, Julius Döderlein, Kelber und Kahl – ich nenne nur wenige, uns nächststehende Namen, sind doch die andern alle im Himmel angeschrieben! – stehen vor uns da: was für ein Volk, was für ein’ edle Schar! Sie alle in Verschiedenheit der Gaben und Kräfte, im Dienst der bräutlich liebenden Kirche, den Heiden zugesandt, den Heiden zugewandt mit der Bitte: Komm, Herr Jesu. Und 25 Jahre Neuendettelsauer Mission in Neuguinea! Dem, wie er hofft, langjährigen getreuen Nachbarn sei es verstattet, dieser in der Furcht Gottes langsam ausreifenden Mission sonderlich zu gedenken. Wie hat der Herr das Werk, das sein großer Knecht Wilhelm Löhe mehr erbetet als geschaut, der sel. Johannes Deinzer im Glauben gewagt hat, gesegnet: Weltreisende und Weltgelehrte haben es gerühmt, den Missionaren hohe Preise und Ehren verheißen, daß das Wort in Erfüllung ginge (Offbg. 3. 8. 9) von der kleinen Kraft, die zum Worte hält, zu deren Füßen auch Widersacher anbeten sollen. Am 20. August 1899 wurden
Hermann von Bezzel: Predigt am Missionsfest in Nürnberg. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1911, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Predigt_am_Missionsfest_in_N%C3%BCrnberg.pdf/8&oldid=- (Version vom 10.9.2016)