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disertos, sagt der alte Lehrer. Weil sein Herz so froh der Gnade und des Reichtums in Lob überging, darum hat er so zu uns geredet und im Glauben redet er noch, wiewohl er gestorben ist (Hebr. 11, 4). Ueber das offene Bibelbuch, an die Seite des hehren Gottesgartens, „voll Blust und Lieblichkeit“ stellt er die „Laienbiblia,“ den Garten für Kinder und Schüler, den kleinen Katechismus, dessen Lob nicht nur Theologen, sondern Meister der Geschichte und des Stils, Ranke und Wackernagel, Dichter und Denker singen und nur der Unverstand, der nicht denken will und die Ueberklugheit, die nimmer denken kann, gröblich verringern. Sein größtes Lob aber bleibt, daß man ihn beten kann, mit Kranken und Sterbenden die Auslegung des 2. Artikels, der 5. Bitte, bis in der letzten Stunde das „mit Gnaden aus diesem Jammertal zu dir in den Himmel!“ die müde Seele heimwärts geleitet, welche Er zum Frieden erlöst hat. Ein Lehrbuch, das man beten, ein Betbuch, das man lernen, ein Volksbuch, das man nie ausgründen kann von Geistlichem und Weltlichem, von Geschichte und Dichtung erläutert – das ist Luthers kleiner Katechismus. „Selig die Hände, die dieses Buch geschrieben haben.“

 Darum haben wir Luther lieb, weil er so viel in die Kirche gestiftet und das Gotteshaus heimlich gemacht hat, weil er die Schule weihte und das Haus schmückte, das Vaterland lieb und sein Gesetz und Brauch wert machte. Er hat seinem Volk in Jahrzehnten gegeben, was Jahrhunderte ihm versagt hatten, hat es beichten gelehrt und zur Gnade geführt, die Sünde ernst, aber die Gnade viel größer und trauter gepredigt, das liebe heilige Kreuz ihm als köstliche Reliquie verehrt und die Hoffarbe des Kreuzes in lichte Freude verklärt.

 Wo die Sonne so reich und herrlich leuchtet, muß der Schatten sein, um ihren Glanz erst recht erkennen zu lassen, Heroen der Gnade müssen Schwächen haben, damit sie sich nicht überheben. Wir kennen keinen heiligen Luther, keinen fünfzehnten Nothelfer, obgleich er uns, mit Dürer zu reden, aus großer Not geholfen hat und sein Leben größer, edler, frömmer war als das „manches stolzen Heiligen“. Wir wissen von seiner ungestümen Heftigkeit – und doch hatte er keinen persönlichen Feind; wir wenden uns mit Unlust von mancher derben, ja unzarten Wendung, aber zweideutige Schlüpfrigkeiten und eindeutige Zoten, wie bei Enea Silvio, dem späteren Pius II., finden wir nicht bei ihm. Er ist manchmal zu gewaltig, ja vermessen. Aber er ist nie hochfärtig, sondern von Herzen demütig. „Wir sind Bettler, das ist