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Riviera! … Goldiger Glanz liegt auf dem Meere.

Draußen, weit, weit draußen an der Wassergrenze stehen wie weiße Flämmchen die Segel der Fischerbarken, die Morgens ausgefahren. Ein leichter Wind kommt tändelnd gezogen, man spürt ihn kaum. Man fröstelt auch nicht, denn es ist warmer Frühling, Frühling an der Riviera.

Kinder spielen am Ufersaum. Ein paar welsche, schmutzige Bettelkinder mit brauner Haut und struppigen Haaren. Und mitten unter ihnen glänzt ein wohlgewachsener, weißer, blonder kleiner Sohn des Nordens. Das ist Kurt. Er versteht die lustigen Spielkameraden so wenig wie sie ihn. Das heißt: nur, wenn sie sprechen. Denn die artikulirten italienischen Laute sind ihm fremd, wie den Anderen das Deutsche. Aber sie unterhalten sich königlich im Volapük der Kinderei. Sie laufen der fliehenden Welle nach, und wenn diese dann bärbeißig umkehrt, so weichen sie vor ihr lachend und erschrocken zurück. Und in die großen Rhythmen der Brandung zwitschern, jauchzen sie Ringelreihelieder als helle Gegenstrophe.

Unfern sitzen die drei Erwachsenen. Sie haben sich bequeme Weidenfauteuils vom Hotel herunterbringen lassen. Fritz und seine Cousine Clara schauen den Kindern zu; Mergenthien, Clara’s Gatte, liest. Frau Clara hat den rothen Sonnenschirm aufgespannt und über ihr hübsches freundliches Gesicht huschen nun rosige Reflexe. Der Vetter Fritz blinzelt sie ab und zu an. Ah ja, sie ist in ihrer

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/198&oldid=- (Version vom 1.8.2018)