Seine Kleidung war sehr abgenützt, aber sauber. Die Schuhe schief getreten, der schwarze Filzhut schimmerte an einzelnen Stellen ins Röthliche. Die linke Hand, die einen Stock umspannte, hielt er hinter dem Rücken, die Rechte hatte er zwischen zwei Knöpfe seines geschlossenen grauen Leibrockes gesteckt. Ein Weilchen stand er gesenkten Hauptes. Dann richtete er sich auf. Sein glattrasirtes, fahles, fettes Gesicht war nun voll beleuchtet. Er hatte merkwürdig herrische Augen, die düster auf den Wirth gerichtet waren, als er nun fragte:
„War auch Niemand da?“
„Niemand, mein General!“
„Gut, Pétout! Ich werde wiederkommen. Ich muß mir noch ein bißchen Bewegung machen. Das Blut wird dick, Pétout! … Wiedersehen!“
Er hatte mit einem Ruck die Thür hinter sich zugezogen, noch bevor ihm der Wirth alle Abschiedsehren erweisen konnte.
Die Damen und Herren blickten einander verwundert an. Der Wirth wollte an ihnen vorbei nach der Küche gehen. Godefroy rief ihn an:
„Sagen Sie, Herr Wirth, wer war das?“
Pétout kam heran, kratzte sich ein wenig hinter dem Ohre und sprach mit unbestimmtem Lächeln:
„Einer unserer Stammgäste, ein Makler, der mit den Seineschiffern Geschäfte macht. Ich glaube, er sucht auch Miethwohnungen für Herrschaften, die sich diese Mühe nicht selbst nehmen wollen. Er heißt Buonaparte.“
„Sonderbarer Name“, warf die Herzogin ein, „klingt gar nicht französisch.“
„Mir kam es vor, als hätten Sie ihn General genannt“, sagte der Vicomte.
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 224. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/229&oldid=- (Version vom 1.8.2018)