„Ganz richtig. Eine alte Gewohnheit von mir. Ich habe nämlich unter ihm gedient.“
„Er war also wirklich General?“ erkundigte sich Godefroy.
„Sozusagen!“ entgegnete der Wirth. „Ganz in Ordnung war seine Generalschaft freilich nicht. Er war eben ein republikanischer General. Zu jener Zeit ging ja Alles drunter und drüber. Heute war man Hauptmann, morgen General, übermorgen garnichts oder Alles oder todt. Ich habe in Toulon unter ihm gedient. Meine Batterie hieß die Batterie der furchtlosen Männer. Das waren wir, Bomben und Granaten. Ich habe noch die Abschrift eines Tagesbefehls, in dem er mich erwähnt hat. Datirt ist er vom neunten Pluviôse des Jahres Zwei aus Port-la-Montagne. Herr Buonaparte hatte vielleicht ein paar Grade übersprungen oder sonst eine Unregelmäßigkeit in seiner Vorrückung. Aber uns galt er voll, wie wenn er ein richtiger General gewesen wäre. Wir haben ihm gehorcht und ihn geliebt. Und ich will Ihnen was sagen: wir haben uns vor ihm gefürchtet, wir, von der Batterie der furchtlosen Männer. Und genau so die von den anderen Batterien. Sehen Sie, noch heute, wenn er da hereinkommt, habe ich Respekt vor ihm, als ob er mein Befehlshaber wäre. Und ich weiß doch, daß er kein General, sondern ein armer alter Makler ist. Er hat so etwas im Blick, da muß ich gehorchen, ob ich will oder nicht. Wenn Herr Buonaparte jetzt hereinkäme und mich anherrschte: „Pétout! Die Ofengabel geschultert! Wir marschiren gegen die Tuilerien!“ Meiner Treu, ich glaube, ich ginge mit.“
„Wie interessant!“ flüsterte die Herzogin.
„Herr Pétout“, sagte der Vicomte, „wollen Sie nicht ein Glas Wein mit uns trinken und uns noch mehr von Ihrem General erzählen?“
Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 225. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/230&oldid=- (Version vom 1.8.2018)