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ganzen bewohnten Welt herum. Aber mehr als das quälte mich die Frage: Warum, Miß Mabel? … Endlich war meine Rechnung beglichen. Nun, auf nach Capri! Nein, im letzten Augenblicke kam das Stubenmädchen und fragte mich schluchzend, ob mir nichts weggekommen wäre? Der rothe Kapitän hatte sie durch ein reiches Trinkgeld überredet, ihm mein Zimmer aufzusperren, während ich in der unteren Stadt den Aufruhr machte. Zuerst war Hatton allein, dann kam er mit Mr. Coverley wieder, und sie öffneten meinen Kasten. …

Meine Herren, ich habe laut aufgelacht, als ich diese Lösung erfuhr. So laut, so heiter, daß die brave Stubenjungfer sich beruhigte. Es war mir ja auch wirklich nichts abhanden gekommen außer einer Illusion. Dies sagte ich ihr. Da schluchzte sie wieder: ob so etwas sehr theuer sei und ob sie es mir ersetzen müsse? „No, no,“ sagte ich ihr tröstend, „das ist unersetzlich, und doch ist man um so besser dran, je weniger man davon besitzt.“ Ich wage allerdings nicht, zu behaupten, daß sie mich verstanden habe… Und ich fuhr nicht nach Capri, sondern in lebhaften Selbstgesprächen nach Neapel. O Miß Mabel! Ich zürne Ihnen nicht. Ich verlange von den schönen Weibern nicht, daß sie unpraktisch seien. Ich begreife ganz gut, daß Sie sich von mir zurückzogen, nachdem Sie so erschöpfende Einsicht in meine Verhältnisse genommen. Aber um wieviel sind Sie und Ihre Leute besser, als dieser soldo-begeisterte Pöbel von Amalfi, der Ihnen solchen Ekel einflößte? Um wieviel, Miß Mabel? …

Mein erster Gang in Neapel war zu Madamigella Teresina. Ich wurde nicht vorgelassen. Ihre Zofe legte vertraulich den Zeigefinger auf den Mund: „Ein reicher Russe …“

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Theodor Herzl: Philosophische Erzählungen. Gebrüder Paetel, Berlin 1900, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Herzl_Philosophische_Erzaehlungen.djvu/89&oldid=- (Version vom 1.8.2018)