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EIN JUDENFRIEDHOF

Was ihr im Leben nicht suchtet, nicht kanntet,
Und was euch der Gott nicht gab,
An den ihr glaubtet, ihr Toten,
Das liegt nun über dem verlassenen Ort,

5
Wo euch die Erde wieder nahm,

Die euch nie Heimat war:
Die Schönheit.
Die Totenmale stehen still wie Wandrer,
Die dem Sturme trotzten.

10
Und ihr und eure Taten seid vergessen,

Doch eurem Staub erblüht
In Herbstes- und in Frühlingsblumen
Vom Sommerwind beseelt:
Die Schönheit.

15
Der Wind streicht über sommerhelle Gräser,

Die Nelken blühn im Sonnenglanz
Geschmiegt an eure grauen Steine.
Der Erde Grund ist lieberot
Und sehnsuchtsbleich

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Vom Thymiane:

In Schönheit.
Der helle, helle Sommerhimmel grüßt herein
Und wie in bebender Lust
Zittert die Silberpappel.

Empfohlene Zitierweise:
Sophie Hoechstetter: Vielleicht auch Träumen. Müller, München und Leipzig 1906, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hoechstetter_Vielleicht_auch_Traeumen.pdf/57&oldid=- (Version vom 1.8.2018)