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eine solche Gottheit, die nicht einmal recht wissen kann, was diese Nachtlichtchen bedeuten. Die Oberpriesterin ruft aus: one G. d, one Farinelli. Man sagt, eine Dame habe wirklich in einem Anfalle von diesem damals grassirenden Tarantismus, vor Entzücken über den Gesang des Hemlings, diese Worte laut aus den Logen ausgerufen. Ein solches Geschöpf hätte wohl die Strafe des Midas verdient; alles was sie berührt hätte, hätte sich verwandeln müssen – in angebetetes Gold. Indessen alle die Damen halten ihre Herzen in den Händen (eine faßt es sogar beim Schopf, an der Flamme), und dieser Umstand macht das Opfer noch begreiflich. Es sind nämlich wahrscheinlich bloß Sonntags-Herzen, die bekanntlich manche sogar zum Himmel erheben können, ohne deßwegen das andere im mindesten zu geniren. Die Satyre geht, wie man sieht, auf die Raserei für die italienische Oper, und ist daher sehr gerecht, nur bei weitem nicht geschärft genug, und für einen Mann von dem Geiste unseres Künstlers viel zu flach behandelt. Ob ein beschriebener Zettel von einer Stuhllehne herabhängt, wie ein Handtuch hinten, oder, wie Tabaksdampf, vornen, aus dem Maule aufsteigt, ist im Grunde einerlei. Wenn man auch nach der Beschauung dieser geistvollen Köpfe auf dieses so ganz heterogene Proclama stößt, so erweckt es auch immer eine etwas seltsame Empfindung, fast wie (ich bitte die schönen Künste, des Gleichnisses wegen, um Verzeihung) ein kräftiger Braten, zu welchem man etwa die Sauce aus einem Kochbuche vorläse.

Wer ist denn aber nun der Mann, der da auf dem Stuhle sitzt, denn die Figur soll ja Jemanden vorstellen, der damals lebte? Die Meinungen hierüber sind selbst unter den Engländern getheilt, und hier kann kein Ausländer richten. Farinelli selbst ist es sicherlich nicht. Einer solchen Figur opfert keine junge Dame ihr Herz mehr, nicht einmal ihr Sonntags-Herz. Es läßt sich nichts dabei denken. Stellt ihnen über dem Altar auf, was ihr wollt, Marmor oder Holz, nur um’s Himmels willen Jugend, Jugend, und diese scheint doch wirklich