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wieder. Ich erklärte ihm, daß ich ihm nichts weiter geben könne, da ich nichts mehr besäße, beschwor ihn unter Tränen, mir nicht auch ferner das Leben zur Hölle zu machen. Als vollendeter Heuchler suchte er jetzt alles so hinzustellen, als ob nur die Macht der Verhältnisse ihn zu diesem Vorgehen gedrängt habe. Ja, er besaß sogar die Frechheit, auf seine alten Rechte zu pochen, wollte auf diesem Spaziergang durch den stillen Grunewald zärtlich werden und mich an sich ziehen. Voll Abscheu stieß ich ihn zurück. Als wir uns trennten, rief er mir noch zu, daß für mich stets ein Brief von ihm auf dem Postamt Turmstraße unter der Chiffre „XYZ Kolberg“ lagern werde, wenn ich eine leere Berliner Ansichtskarte zugeschickt bekäme.

Acht Tage ließ er mich in Ruhe. Dann traf die erste dieser Karten ein. Ich holte mir den Brief ab, in dem er von mir wieder 1000 Mark forderte.

In meiner Ratlosigkeit ließ ich einen Tag nach dem andern verstreichen, ohne ihm zu antworten. Und dann kam wieder eine dieser Ansichtskarten, die nichts als eine Adresse enthielten. Wieder holte ich mir den Brief ab, las ihn auf einer Bank im Moabiter Tiergarten, zerriß ihn und warf die Schnitzel achtlos weg, da ich ja wußte, daß die Schrift sehr bald wieder verschwunden sein würde. Das war auch eine von den raffinierten Vorsichtsmaßregeln Schwechtens, all seine Briefe an mich mit einer Tinte zu schreiben, die nach einer bestimmten Anzahl von Stunden unsichtbar wurde. Schwechten drohte mir in jenem Schreiben, er würde mich meinen Verwandten gegenüber bloßstellen, falls ich das Geld nicht schleunigst herbeischaffte.

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Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 124. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/124&oldid=- (Version vom 1.8.2018)