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tiefem Sinnen dahin. – Auch das noch –! Auch noch Entlassung drohte mir! – Und ich Narr hatte noch vor einer halben Stunde gehofft, mir vielleicht von meinen Kollegen das Geld zur Begleichung meiner Spielschulden zusammenborgen zu können! – Welch’ eine Nacht, – welch’ eine Nacht!! Sicher die, die über meine Zukunft entschied. Bis jetzt war ich noch ehrlich geblieben – was die Welt so „ehrlich“ nennt. Bis jetzt –!

Ich stand am Wendepunkt meines Lebens, das fühlte ich. Die nächsten achtundvierzig Stunden mußten die Entscheidung bringen.

Mit kühner Berechnung erwog ich alle ferneren Schritte. Der Kündigung mußte ich zuvorkommen. Das war das Nächste. Ich durfte nicht entlassen werden, schon um mir nicht die Möglichkeit zu zerstören, irgendwo eine andere Stellung zu finden.

Kaum war ich mir darüber klar geworden, als ich auch schon meine Schritte beschleunigte und meiner Wohnung zueilte. Dort angelangt zündete ich meine Lampe an, nahm einen weißen Bogen vor und schrieb dem Bankdirektor, daß ich um meine Entlassung bäte, da ich einen anderen Beruf zu ergreifen beabsichtigte. Zum Schluß fügte ich die Bitte hinzu, mir bei Verzicht auf mein Gehalt einen sofortigen Urlaub zu gewähren. Dieser Brief ging noch in derselben Stunde an seine Adresse ab. Nun hatte ich auch diese Brücke hinter mir abgebrochen. Nun begann vielleicht der zweite Abschnitt meines Lebens, vielleicht jene absteigende Bahn, die – in Schande und Schmach enden konnte, nein, enden mußte, wie bei allen, die sich durch ihr Tun und Lassen selbst als vogelfrei erklären. –




Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Irrende Seelen. Leipziger Kriminalbücherverlag, Werner Dietsch Verlag, Leipzig 1919, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Irrende_Seelen.pdf/15&oldid=- (Version vom 1.8.2018)