kam ein kleines, steinaltes Männchen angehumpelt, das jammerte und sprach:
„Michel, mich hungert so sehr, gieb mir ein wenig ab von deinem Mahle!“
„Das fehlte noch gerade,“ antwortete Michel, „darum habe ich mich wohl mit dem Kaliet geschleppt, daß ich für fremde Menschen Essen trage! Such dir nur Wurzeln und Beeren, mir geht es selber knapp.“
„Dann nicht!“ sagte das Graumännchen und ging seinen Gang.
Michel aber schritt, nachdem er satt gegessen und getrunken hatte, mächtig aus, um bald die Hauptstadt zu erreichen. Er lief, daß ihm der Schweiß von der Stirne rann, und erreichte auch vor Abend ein großes Dorf. Das kam ihm so bekannt vor, und als er auf einem Hofe ansprach, um dort zu übernachten, war es seines Vaters Haus. Der lachte den dummen Michel aus, und Krischan und Hans spotteten auch; aber Michel rief zornig:
„Versucht ihr es nur, es wird euch nicht besser gelingen!“
„Das will ich auch thun,“ antwortete Krischan, und der Bauer gab die Erlaubnis dazu, und die Mutter packte ihm ebenfalls die schönsten Leckerbissen in den Korb; und am andern Morgen, als die Sonne aufging, war Krischan unterwegs und wanderte der Stadt zu.
Es ging ihm aber nicht anders, als seinem älteren Bruder. Da er eben so gierig und hartherzig war, wie Michel, und dem alten Graumännlein nichts abgeben wollte von seinem Überfluß, so verblendete dasselbe ihm
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)