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Geistertheater. „Der Alpenkönig und der Menschenfeind.“ Und des biederen und klugen Nestroy Volksstücke! Das ist Österreichertum, herzlich und ironisch, von der besten Seite. Franz Grillparzer (1791–1872) nahm das österreichische Problem (in „König Ottokars Glück und Ende“, „Ein treuer Diener seines Herrn“, „Ein Bruderzwist in Habsburg“) tragischer. Obgleich er, stofflich ein Romantiker, stilistisch eher ein Klassiker zu nennen, seine Stoffe zwischen Österreich und Hellas teilte (Sappho, womit er eine Dichtertragödie schuf, dem Tasso nicht unebenbürtig – Das goldene Vlies – Des Meeres und der Liebe Wellen, die holdeste deutsche Liebestragödie), hat er der österreichischen Mythologie sein tiefstes Werk entnommen: Libussa, den alten Gegensatz zwischen Natur und Kultur behandelnd. Es scheint, daß sein unerfülltes Liebesleben mit seiner ewigen Braut, mit der er rang wie mit der Muse selbst, viele Quellen in ihm verschüttet hat, die vielleicht ausgesprudelt wären, wenn er am eigenen Leibe und eigener Seele Eros tiefst verspürt hätte.

Elegisch beschließt die österreichische Romantik Nikolaus Lenau (1802–1850), ein Deutschungar. Er starb wie Hölderlin im Wahnsinn, nachdem er, mit dem Herzen eines Zigeuners und dem Munde eines Deutschen, die melancholischen Lieder der Steppe und der Schilfteiche gesungen.


Die Dichter der Befreiungskriege Theodor Körner (aus Dresden, 1791–1813, „Leier und Schwert“), Max v. Schenkendorf (aus Tilsit, von 1783–1817), Ernst Moritz Arndt (aus Rügen, 1769–1860) und viele andere standen bei den Monarchen und ihren Lakaien, den Lesebuchfabrikanten, lange in großem Ansehen. Ihre soldatische Lyrik diente nämlich dazu, die wahren Motive und vor allem den Schlußeffekt der „Befreiungskriege“ zu verschleiern. In den Gedichten kämpfte der

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Klabund: Deutsche Literaturgeschichte in einer Stunde. Leipzig-Gaschwitz: Dürr & Weber, 1920, Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Klabund_Deutsche_Literaturgeschichte_in_einer_Stunde_061.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)