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bewachsen war, hob er sich sanft in die Höhe – an der westlichen Seite, wo er an Magura grenzte, war er steil wie sie und wie sie geschmückt mit lauter alten, dichtwachsenden Fichten.

Es schien, als ob beide für immer voneinander getrennt wären. Die Enge, die sie schied, barg eine Menge scharfen Gesteins, und der Bach – bei jedem stärkeren Gewitter anschwellend – bespritzte sie mit seinen kühlen Perlen, als erinnere er sie daran, daß er sich nicht verloren habe, daß er da sei und sie immer trennen werde …

An hellen Sommertagen gegen die Mittagszeit, wenn die Sonne stark brannte und der Himmel sich in lichtes Blau gleichsam auflöste – erhoben sich aus der Tiefe des Rungschen Waldes Habichte, zogen über seinen Gipfel in sanften Kreisen und verschwanden dann im dunkelgrünen Walde Maguras. Hier ließen sie sich auf das Gezweig ihrer Tannen für kurze Augenblicke nieder und riefen weit hörbar, daß sie von Rung kämen …

Sie nahm ihre Laute in sich auf und rauschte hernach etwas, so laut, daß auch die rings um sie waltende Stille aufhorchte …

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Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/100&oldid=- (Version vom 3.10.2022)