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Just hierher kam die Huzulin Paraska, Holz zu stehlen. Sie wußte da allerlei Verstecke und hätte sich zu verbergen vermocht, wenn sie jemand verfolgt hätte – allein, da sie niemand verfolgte und sie ruhig trockene Äste und anderes Brennmaterial sammeln konnte, so war sie ihrer Beute sicher und eilte niemals. Wenn sie genug von allem hatte, setzte sie sich auf einen großen Stein, zog ihre Pfeife hervor und stopfte sie. Rauchend ruhte sie aus.

So verbrachte sie oftmals wohl eine Stunde. Über das oder jenes sinnend, bemerkte sie kaum, wie die Zeit verstrich.

Ein Gefühl der Einsamkeit kannte sie nicht.

Die Stille, die um sie herrschte, war anderer Natur, als die in ihrer Hütte. Hier war sie gleichsam lebendig. Vor ihr – beinahe ihr zu Füßen – eilte der Bach. Über ihrem Haupte, hoch auf den Bäumen, kletterten raschelnd Eichhörnchen. Vom Walde her wurden von Zeit zu Zeit Schreie von Raubvögeln vernehmbar; in der Luft schwirrten Mücken, Libellen, tanzten Schmetterlinge – und das reiche Grün der Bergwände nahm den Blick für sich ein und erstickte jedes Gefühl der Einsamkeit …

Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 61. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/103&oldid=- (Version vom 13.9.2022)