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„Aber so allein … ist euch traurig.“

„Mir ist nicht traurig.“

Und sie sprach die Wahrheit. Ihr war nie traurig zu Mute. Auch im Winter, wo sie wochenlang allein saß und keinen Menschen zu Gesichte bekam, war ihr nicht einsam zu Mute. Sie saß, spann, rauchte, redete zu ihrem Hunde, zur Katze, zu ihren zahmen Hühnern … sie lachte zu ihnen … schlug sich Karten auf und las ihr Schicksal daraus, that das Gleiche aus Kukurutzkörnern … und fühlte weder Trauer noch Einsamkeit.

An Winterabenden, wenn der Schnee an die kleinen Fenster ihrer Hütte schlug, wenn der Sturm mit seiner tonlosen Stimme heulte – saß sie zusammengekauert beim Ofen, die Pfeife im Munde, und horchte auf irgend etwas.

Ein starkes Rauschen überschwemmte die Luft, kam vom Rung und der Magura her, gleich wie von ganzen Wolken von Vögeln … und der Wind rang mit ihm …

Rung und Magura grollten miteinander … allein sie fürchtete nichts.

Klopfte jemand an die Thüre, so rührte sie sich nicht von der Stelle.

Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 70. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/112&oldid=- (Version vom 13.9.2022)