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Eines Tages flüchtete sich zu ihr eine Frau vor dem Regen.

Als sie sah, wie schön die Huzulin spinne, und auch erfuhr, daß sie für Fremde spinne, brachte sie ihr Flachs und Geld und besuchte sie dann öfters. – Von Zeit zu Zeit schenkte sie ihr auch Tabak, als sie bemerkte, daß das Rauchen sie in eine redselige Stimmung bringe. Die Huzulin ward anhänglich an sie wie ein Kind, und als die Frau einmal für länger fortreiste und von jener erst nach Verlauf mehrerer Wochen und zufällig in der Stadt wiedergesehen wurde, war die Freude dieses Weibes so groß, daß es zu ihrem übergroßen Erstaunen sie mitten auf den Mund küßte!

„Es ist mir ordentlich leicht geworden, daß ich euch wiedersehe!“ sprach sie voller Freude. „Kommet zu mir auf Weichseln; sie sind gerade jetzt reif,“ lud sie die Frau herzlich ein.

„Soll ich euch auch Tabak mitbringen? Oder habt ihr vom Rauchen gelassen?“ fragte die Frau, scheinbar ernst.

„Aj, wo hab’ ich denn vom Rauchen gelassen!“ antwortete sie fast erschrocken, „jetzt liebe ich es fast mehr als früher!“

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Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/115&oldid=- (Version vom 13.9.2022)