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Überall lag Stille … das schreckliche Rauschen verlor sich, und man sah und fühlte: hier herrschte die Gotteskraft …

Aber von jetzt an vermochte sie nicht mehr zu laufen. Aus ihren Füßen schwand die Kraft, als hätte sie sich irgendwo verloren, und sie schleppte sich nur noch vorwärts.

Nächtigen wollte sie nirgends. Wie sollte sie dann auch in der Frühe durch die Straßen und an den Wohnungen bekannter Wirtinnen vorbeigehen? Was sollte sie von den blutenden Füßen, von den zerfetzten, kotbespritzten Kleidern erzählen, und daß sie wie ein Mädchen, ohne Tuch am Kopfe, heimkehre?

Und ihr schönes, rotes Tuch! … ach, ach, wo blieb das nur! Vielleicht war es gut in Teufelshänden aufgehoben …

Und sie schleppte sich langsam, langsam, wie eine Blinde oder wie eine Zerschlagene oder wie das Alter selber – bis sie sich endlich an ihre Hütte herangeschleppt. Als sie an das Thor heranhinkte, bemerkte sie in den Fenstern Licht. Er war zu Hause. Sie trat an das Fenster und blickte hinein … und sah: auf ihrem Bette lag ausgestreckt ihre Schwester,

Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 119. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/165&oldid=- (Version vom 13.9.2022)