Als vor einigen Jahren aus Aller Munde mir über Deine Tüchtigkeit berichtet wurde, begann ich Dich im höheren Masse geistig lieb zu gewinnen, und auch unsern Zeitgenossen, unter denen Du Dich mit so grossem Ruhme bedeckst, Glück zu wünschen. Denn ich hatte erfahren, dass Du nicht nur die Theorieen der alten Mathematiker ausgezeichnet kennst: sondern dass Du auch eine neue Weltanschauung begründet hast, nach welcher Du lehrst, dass sich die Erde bewege, dass die Sonne den untersten und demnach den mittelsten Ort der Welt einnehme, dass der achte Himmel unbewegt und ewig fest bleibe, und dass der Mond, zugleich mit den von seiner Bahn eingeschlossenen Elementen, zwischen dem Himmel des Mars und dem der Venus gelegen, im jährlichen Laufe um die Sonne sich bewege. Und über diese ganze Anschauungsweise der Astronomie sollst Du Commentare geschrieben, und die berechneten Bewegungen der Planeten in Tafeln zusammengestellt haben, zur grössten Bewunderung Aller. Deshalb, gelehrter Mann, bitte ich Dich, wenn ich Dir nicht lästig falle, inständigst, dass Du diese Deine Entdeckung der gelehrten Welt mittheilst, und Deine Nachtarbeiten über den Bau der Welt, zugleich mit den Tafeln, und wenn Du sonst noch etwas hast, was sich auf denselben Gegenstand bezieht, sobald als möglich mir zuschickst. Ich habe aber Dietrich von Rheden[1] beauftragt, dass Alles auf meine Kosten dort abgeschrieben und mir überbracht werde. Wenn Du mir in dieser Angelegenheit willfahren wirst, so sollst Du sehen, dass Du es mit einem Manne zu thun hast, dem Dein Name am Herzen liegt, und der so grosser Tüchtigkeit gerecht zu werden wünscht.
Lebe wohl. —
Anmerkungen [des Übersetzers]
Nicolaus Copernicus: Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper. Ernst Lambeck, Nürnberg und Thorn 1879, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/31&oldid=- (Version vom 1.8.2018)