behauptet, der den Durchmesser der Sonne für zehnmal grösser hält. Deshalb ist es nicht leicht, dass ein so kleiner Fleck in dem vorherrschenden Lichte gesehen werde, — obgleich Averroës[1] in der Ptolemäischen Paraphrase, sich erinnert etwas Schwärzliches gesehen zu haben[2], als er die Conjunction der Sonne und Merkur’s berechnet hatte; — und so entscheidet man sich dafür, dass diese beiden Planeten sich unterhalb des Sonnenzirkels bewegen. Aber wie ungewiss und unsicher dieser Schluss sei, erhellt daraus, dass, während nach Ptolemäus die kleinste Entfernung des Mondes 38, nach richtiger Schätzung aber mehr als 49 Erdradien beträgt[3], — wie unten klar werden wird, — wir doch nicht wissen, dass in einem so grossen Raume etwas Anderes enthalten sei, als Luft und, wenn man will, dasjenige, was man das feurige Element nennt. Ferner daraus, dass der Durchmesser der Venusbahn, nach dessen Grösse sie von der Sonne nach beiden Seiten um mehr oder weniger als 45 Grade abweicht, sechsmal so gross sein muss, als die Linie, welche vom Mittelpunkte der Erde nach dem untersten Punkte der Venusbahn gezogen werden kann, wie seines Ortes bewiesen werden wird. Was soll also in diesem ganzen Raume enthalten sein, der um so grösser ist, als er Erde, Luft, Aether, Mond und Merkur und was ausserdem noch der ungeheure Epicyclus der Venus ausmacht, wenn er um die ruhende Erde kreist, umfasst? — Wie wenig überzeugend die Begründung des Ptotemäus ist, nach welcher die Sonne die Mitte zwischen den überallhin und den nicht so von ihr abweichenden Planeten einnehmen soll, geht daraus hervor, dass der Mond, indem er selbst überallhin abweicht, ihre Unwahrheit verräth. — Was wollen aber Diejenigen, welche unter die Sonne die Venus und dann den Merkur setzen, oder dieselben nach einer andern Reihenfolge anordnen, für eine Ursache dafür anführen, dass diese nicht ebenso selbständige und von der Sonne unabhängige Bahnen durchlaufen, wie die übrigen Planeten, wenn das Verhältniss ihrer Geschwindigkeit und Langsamkeit ihre Reihenfolge nicht falsch darstellt? Also es würde entweder die Erde nicht in dem Mittelpunkte, auf welchen die Reihenfolge der Gestirne und Bahnen bezogen werden, stehen dürfen; oder es gäbe mindestens gar keinen Grund für ihre Reihenfolge, noch wäre es ersichtlich, warum dem Saturn mehr, als dem Jupiter oder irgend einem andern, die höchste Stelle gebührte. Deshalb scheint mir durchaus nicht unbeachtenswerth, was Martianus Capella, welcher eine Encyclopädie[4] geschrieben hat, und einige andere Lateiner sehr wohl wussten. Er glaubt nämlich[5], dass Venus und Merkur die Sonne als ihren Mittelpunkt umkreisen, und deswegen von ihr nicht weiter weggehen können, als es die Kreise ihrer Bahnen erlauben, weil sie die Erde nicht wie die andern umkreisen, sondern wechselnd-wiederkehrende Abstände haben. Was will dies Anderes bedeuten, als dass dieselben um die Sonne, als um den Mittelpunkt ihrer Bahnen, kreisen? So würde denn in der That die Bahn Merkur’s von derjenigen der Venus, welche mehr als doppelt so gross ist, umschlossen, und fände in der Ausdehnung dieser die ihr genügende Stelle.
Anmerkungen [des Übersetzers]
- ↑ [8] 27) Averrhoes oder Ibn Roshd, ein Aristoteliker, geb. zu Cordova 1149, gest. zu Marocco 1198 oder 1206 p. Chr.
- ↑ [8] 28) La Lande. Astr. II. Liv. 11. No. 2000. Averrhoes crut avoir apperçu Mercure sur le Soleil.
- ↑ [8] 29) Die Handschrift hat 49 statt 52 der Ausgaben.
- ↑ [8] 30) Marcianus Mineus Felix Capella, geb. in Madaura in Africa um 440 nach Chr. Sein Werk, welches lange Zeit als Lehrbuch in den Klosterschulen gebraucht, und zu Anfang des 11ten Jahrhunderts von Notker in’s Althochdeutsche übersetzt wurde, führt den Titel: Opus Martiani Capellae de nuptiis Philologiae et Mercurii libri duo, de grammatica, de dialectica, de rhetorica, de geometria, de arithmetica, de astronomia, de musica libri Septem. — Vicentiae a. S. 1499.
- ↑ [8] 31) Die Stelle, auf welche sich Copernicus hier bezieht, findet sich in der Anm. 30) angeführten Ausgabe auf dem Blatte r. iiiii, und lautet in deutscher Uebersetzung: „Venus aber und Merkur gehen nicht um die Erde. Die Erde ist nicht der Mittelpunkt für alle Planeten. Wenn man auch wissen muss, dass die Erde für alle Planetenbahnen excentrisch ist, d. h. dass sie nicht die Mitte der Kreise einnimmt, so ist doch nicht zweifelhaft, dass sie der Mittelpunkt der Welt ist. Und dies gilt allgemein in Bezug auf alle sieben Planeten; weil, während die Welt in gleichbleibender Weise und in derselben Periode rotirt, die Planeten [9] täglich sowohl die Oerter als auch die Kreise ändern. Denn von diesen Gestirnen geht keines an dem Orte auf, wo es Tags zuvor aufgegangen ist. Wenn dies sich so verhält, so ist nicht zweifelhaft, dass die Sonne 183 Kreise hat, durch welche sie entweder vom Sommersolstitium zum Wintersolstitium herabgeht, oder von dem letzteren zum Sommersolstitium aufsteigt. In diesen verschiedenen Kreisen nun bewegt sie sich. Während aber die Sonne die angegebene Zahl (von Kreisen) besitzt, beschreibt Mars doppelt, Jupiter zwölfmal und Saturn acht und zwanzig mal so viel Kreise, welche auch Parallelkreise genannt werden. Alle diese Bewegungen rücken mit der (Fixstern-) Welt fort, und umkreisen die Erde mit Auf- und Untergehen. Obgleich dagegen Venus und Merkur täglichen Auf- und Untergang zeigen, so gehen ihre Bahnen doch durchaus nicht um die Erde, sondern sie gruppiren sich um die an Umfang grössere Sonne; kurz sie legen den Mittelpunkt ihrer Bahnen in die Sonne, so dass sie sich zuweilen über ihr, meistens unter ihr, der Erde näher, bewegen; und zwar weicht Venus um ein Zeichen und einen halben Grad von der Sonne ab. Wenn sie aber über der Sonne stehen, so ist Merkur der Erde näher, während unter der Sonne die Venus; diese bewegt sich nämlich in einem offneren und grösserem Kreise.“
Nicolaus Copernicus: Nicolaus Coppernicus aus Thorn über die Kreisbewegungen der Weltkörper. Ernst Lambeck, Thorn 1879, Seite 25. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kreisbewegungen-Coppernicus-0.djvu/53&oldid=- (Version vom 10.8.2016)