Seite:Lieder und Balladenbuch-Strodtmann-1862.djvu/54

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er ein wahnwitziges Vergnügen daran findet, seine Fragen so zu stellen, dass ihm das erwartete „Nimmermehr“ die reizvollste, weil unerträglichste, Trauer gewährt. Indem ich den Vortheil begriff, welcher sich mir hiedurch darbot – oder sich mir eigentlich im Verlauf der Konstruktion meines Gedichtes aufdrängte, – stellte ich in Gedanken zuerst die Klimax oder Schlussfrage fest – diejenige Frage, auf welche zum letzten Mal: „Nimmermehr“ geantwortet werden sollte, – eine Antwort, die dem Frager den erdenklich höchsten Grad von Trauer und Verzweiflung bereiten müsste.

Hier also, darf ich sagen, begann das Gedicht – mit dem Ende, womit alle Kunstwerke beginnen sollten; – denn hier, an diesem Punkt meiner Betrachtungen, setzte ich zuerst die Feder an, und verfasste folgende Strophe:

„Düstrer Bote!“ frug voll Zweifel ich, „ob Vogel oder Teufel!
Bei dem Himmel droben, bei dem Gott, den ich, wie du, verehr’:
Find’ ich, sprich! an Eden’s Thoren wieder einst, die ich verloren,
Jene Maid, die man Lenoren jetzo nennt im Engelsheer, –
Die Geweihte, die Lenoren jetzt man nennt im Engelsheer?“ –
 Sprach der Rabe: „Nimmermehr.“

Ich verfasste, an diesem Punkt angelangt, diese Strophe, erstlich um, nach Feststellung der Klimax, die vorhergehenden Fragen des Liebenden besser in Bezug auf ihren Ernst und ihre Wichtigkeit variieren und steigern zu können, – und zweitens, um den Rhythmus, das Versmaß[WS 1], die Länge und die allgemeine Anordnung der Strophen zu bestimmen, – sowie ferner, um die Strophen, welche vorhergehen sollten, in solcher Art abzustufen, dass keine derselben diese an rhythmischer Wirkung überträfe. Wäre ich bei dem späteren Schaffen im Stande gewesen, stärkere Strophen zu verfassen, so hätte ich dieselben

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Vermaß